Fast 60 000 haben in Mecklenburg-Vorpommern die NPD gewählt. In Berlin waren es auch mehr als 47 000, die sich für Neonazis – NPD oder Republikaner – entschieden. Minderheiten – gewiss, aber wie lange noch?Besonders stark war der Zuspruch für die Rechtsextremen unter der Jugend, bei Arbeitslosen, aber auch Arbeitern, Viele, die sie wählten, haben nur einen niedrigen Bildungsstand. Bei etlichen von ihnen ist möglicherweise die nazistische Gesinnung noch nicht so verfestigt. Sie entscheiden in der Regel aus dem Bauch heraus, ausgehend von ihrer aktuellen Lage und inwieweit die einst bevorzugte Partei ihnen ganz persönlich zur Besserung verhalf. Daraus ergeben sich Schwankungen, aber auch Möglichkeiten, frühere Wahlpräferenzen zu ändern.
Doch die Wahlen des letzten Sonntags zeigten noch einen anderen, beunruhigenderen Trend. Immer mehr können sich auch so genannte brave Bürger mit den Neonazis anfreunden, Handwerker, Gewerbetreibende, andere aus dem Mittelstand. Kleinbürger nennt man sie gern, auch Spießbürger – und deren Anteil auch Aufkommen des Hitlerfaschismus ist heute unbestritten. Nun, heißt es, haben gerade im Norden auch Selbständige zweistellig für die NPD votiert, und das Geld für den flächendeckenden Wahlkampf muss ja auch irgendwoher gekommen sein.
Die extrem Rechten versuchen schon lange, an gesellschaftlichem Einfluss zu gewinnen. Das war bislang nicht sonderlich erfolgreich, weil sie nicht in die Mitte der Gesellschaft vorzustoßen vermochten. Jetzt scheint es ihnen zu gelingen, und da durch wächst die Gefahr weiteren Aufschwungs sprunghaft. Denn wer erst einmal die »braven Bürger« hinter sich hat, die »Honoratioren« im Ort, die mittelständische Wirtschaft, der gewinnt rasch Massenzulauf, weil nun die Hemmschwellen fallen. Das Kleinbürgertum ist ein idealer Humus, auf dem der Rechtsextremismus wachsen kann.
Und die Gefahr liegt noch woanders. Der Vorstoß der Neonazis in die gesellschaftliche Mitte veranlasst andere Parteien, die dort ihre Wählerschaft suchen, zu Zugeständnissen an die Programmatik der Rechten. Dieser Prozess ist schon lange in Gang; eine zunehmend auf Überwachung und Repression setzende Innenpolitik, die Beschneidung demokratischer Rechte und offener Rassismus und Fremdenfeindlichkeit von Behörden sind Belege. Maßnahmen zum Kampf gegen die rechte Gefahr werden gleichzeitig eingeschränkt und behindert – durch finanziellen Kahlschlag, aber auch ihre Diffamierung als das andere, das linke Extrem.
Vor diesem Hintergrund scheint der Kampf gegen die Neonazis schon fast verloren. Nur die totale gesellschaftliche Ächtung von allem, das sich in deren Fahrwasser begibt, könnte einen Umschwung noch herbeiführen. Ist dazu aber die bürgerliche Klasse wirklich bereit?