Die gegenwärtig viel beklagte Ausweitung einer Unterschicht in der Gesellschaft ist ein Vorgang, dessen Gesetzmäßigkeit bereits Karl Marx im »Kapital« beschrieb. Sie ergibt sich zwangsläufig aus der globalisierten und in ihrem Gewinnstreben kaum noch gebremsten Wirtschaftsweise. »Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Bestialisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol …«, notierte Marx und beschrieb an anderer Stelle die Folgen dessen auf Seiten der Arbeiter: »Der Proletarier ist eigentumslos; sein Verhältnis zu Weib und Kindern hat nichts mehr gemein mit den bürgerlichen Familienverhältnissen; die moderne Industrielle Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital … hat ihm allen nationalen Charakter abgestreift. Die Gesetze, die Moral, die Religion sind für ihn ebenso viele bürgerliche Vorurteile, hinter denen sich ebenso viele bürgerliche Interessen verstecken.«
Marx diagnostizierte auch, dass diese ökonomisch bedingte Deformierung von Menschen ein fruchtbarer Nährboden für die Verbreitung so einfacher wie extremer vermeintlicher Lösungen für ihre Probleme ist. Er beschrieb das anschaulich in den »Klassenkämpfen in Frankreich«; gerade einmal sieben Jahrzehnte später wurde es geradezu zum Programm der Nationalsozialisten, diese im Gefolge der Weltwirtschaftskrise schnell wachsende Schicht für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Und deshalb dürfte es auch heute kein Zufall sein, dass die Ausweitung der Unterschicht mit Wahlerfolgen der NPD und anderer rechtsextremer Parteien sowie mit einer Zunahme rechter Gewalt einhergeht. So wenig wie der Faschismus der 20er und 30er Jahre vom Himmel fiel, so wenig ist der Aufschwung der Neonazis jener unerklärliche Vorgang, zu dem er von einigen Politikern gemacht wird
Siehe auch:
Arno Widmann: Müntefering spielt Blindekuh (Berliner Zeitung v. 18.10.06)
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