So weit auseinander wie sie tun, sind Union und SPD beim Streit über die Höhe des Arbeitslosengeldes I gar nicht. Denn in einem, dem wichtigsten Punkt stimmen sie überein: Es darf nicht mehr kosten. Und das, obwohl gerade erst die Bundesagentur für Arbeit mitteilte, sie habe bis zum Oktober bereits einen Überschuss von 7,9 Mrd. € erwirtschaftet und rechne bis Jahresende sogar mit 10 Milliarden. Das für altere Arbeitslos länger zu zahlende Arbeitslosengeld, wie es der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers vorschlägt, würde jedoch »nur« 700 Millionen € Mehrkosten verursachen, zuzüglich weiterer 500 Millionen für die gleichfalls angeregte Erhöhung des Schonvermögens für den Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung. .
Es wäre also durchaus möglich, diese dringend nötigen, weil gerechten Änderungen an Hartz IV aus diesen zusätzlichen Einnahmen zu zahlen, doch die Koalitionspartner lehnen das in schöner Einmütigkeit ab und vollziehen in dieser Frage trotz aller Verbalattacken den Schulterschluss – und das bis hinein in die Formulierungen. So machte der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, die Arbeitslosenversicherung, immerhin eine Pflichtversicherung, zur Risikoversicherung, die keine Ansprüche aufbaue. Das gleiche Wort verwendete der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, der allerdings noch das Wörtchen »solidarisch« hinzufügte: »Es ist eine solidarische Risikoversicherung, die im Falle des Risikos, der Arbeitslosigkeit, passende Leistungen zur Verfügung stellt und das für einen bestimmten Zeitraum.« Zu dieser Solidarität gehörte aber bisher ganz selbstverständlich, dass, wer viele Jahre eingezahlt hat und im Alter seinen Arbeitsplatz verliert, eine größere Sicherheit haben soll als ein jüngerer Arbeitsloser, der möglicherweise eher wieder einen Job bekommt.
Diese Solidarität haben CDU/CSU und SPD in schönster Eintracht mit Hartz IV aufgekündigt, und sie halten daran auch jetzt fest. Der Beitragsüberschuss der Arbeitsagentur soll für die angestrebte Beitragssenkung genutzt werden, der zur Hälfte den Unternehmen zugute kommt – entsprechend der seit Jahren betriebenen und total gescheiterten Politik, die Wirtschaft durch finanzielle Entlastung zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu veranlassen. Entsprechend erklärte Regierungssprecher Wilhelm, die beschlossene Beitragssenkung werde »nicht mehr aufs Spiel gesetzt oder gefährdet«. Entscheidende Voraussetzung dafür, dass der Rüttgers-Vorschlag überhaupt in den CDU-Parteitag Ende November eingebracht werden könne, sei dessen Aufkommensneutralität.
Insofern hat Brandner Recht, dass es sich beim Rüttgers-Vorschlag um eine Mogelpackung handelt. Die Position der SPD wird aber dadurch nicht besser. An die Betroffenen, die Arbeitslosen, denken die einen so wenig wie die anderen.