Gemessen am bisherigen Umgang der wechselnden deutschen Regierungen mit Flüchtlingen könnte man die nun gefundene Regelung zum Bleiberecht als Fortschritt bewerten, wenn sie nicht auf halbem Wege stehen geblieben wäre, zu viele Unwägbarkeiten im Kleingedruckten enthielte und nicht sofort durch Unionspolitiker mit den ausländerfeindlichen Hardlinern und Innenministern Beckstein (Bayern) und Schünemann (Niedersachsen) an der Spitze wieder in Frage gestellt würde.
Die Bedingungen, die an ein Bleiberecht gestellt werden, sind hoch und teilweise unerfüllbar – und das gerade durch die Festlegungen, die bisher für den Umgang mit Flüchtlingen galten und im wesentlichen auch weiterhin gelten. So sollen sie eine Arbeit nachweisen, die ihren Unterhalt und den ihrer Familie sichert, doch arbeiten dürfen sie wie bisher im ersten Jahr ihres Hierseins überhaupt nicht und danach zwei Jahre lang nur, wenn für die in Aussicht stehende Stelle weder ein Deutscher noch ein EU-Ausländer gefunden wird. Erst ab dem dritten Jahr dürfen sie regulär arbeiten; schon diese Zwangspause stellt für viele ein Erschwernis dar, einen Job zu finden. Auch die nach wie vor bestehende unsichere Situation, ob am Ende die Behörden dem Bleiben zustimmen, erleichtert nicht gerade die Arbeitssuche. Schließlich bleibt abzuwarten, inwieweit auch andere Beschränkungen, zum Beispiel hinsichtlich des Wohnortes, der Freizügigkeit usw. aufgehoben werden, um eine erfolgreiche Arbeitssuche zu ermöglichen.
Problematisch ist auch die willkürliche Fristsetzung, die ein Bleiberecht erst nach sechs (für Familie mit Kindern) oder acht Jahren (für Alleinstehende) in Aussicht stellt. Wer so lange noch nicht im Lande ist, muss kurzfristig mit der Abschiebung rechnen. Das gilte bislang auch für die fast 10 000 Flüchtlinge aus Irak sowie für weitere aus aktuellen Spannungsgebieten. Inwieweit andere Bedingungen für das Bleiberecht, wie deutsche Sprachkenntnisse, erfolgte Integration und Unverdächtigsein des Terrorismus, in ihrer Auslegungsfähigkeit weitere Hürden für das Bleiben aufrichten, wird abzuwarten sein. Von den 190 000 Betroffenen der bisherigen Duldungsregelung werden nach Meinung der Regierung nur die Hälfte, nach Auffassung von Experten sogar lediglich 20 000 bis 30 000 Menschen profitieren. So bleibt unter dem Strich der Verdacht einer Regelung, die zwar humanitär aussehen, zugleich aber die Zahl der tatsächlich Bleibenden so gering wie möglich halten soll.