Mit dem Begriff der »Klassenjustiz« sollte man hierzulande nicht allzu freigiebig umgehen, aber manchmal geben die Richter allerhand Anlass zu denken, an der Berechtigung des Wortes sei vielleicht doch etwas dran. So auch heute, da das Düsseldorfer Landgericht nun endgültig die Herren Ackermann, Esser, Funk, Zwickel und andere von jeder Schuld freigesprochen und nur dazu verpflichtet hat, einige Millionen »Geldzahlungen« zu leisten; nicht einmal von einer »Geldstrafe« ist die Rede. Man erinnere sich: Die Angeklagten hatten einst das Mannesmann-Unternehmen an Vodafone verkauft und dafür dem Management der abgewickelten Firma wie teilweise sich selbst hohe Prämien und Abfindungen genehmigt – insgesamt 57 Millionen Euro. Das befand das Gericht auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft nun als nicht strafbar, und sie können das Geld behalten. Nur ein kleiner Teil soll zurückfließen, mit 5,8 Millionen € etwa ein Zehntel.
Hier also großzügiges Hinwegsehen über eine millionenschwere Bereicherung, dort das pingelige Aufrechnen minimaler Zahlungen bis auf Euro und Cent. Natürlich haben beide Urteile nichts miteinander zu tun und können in der Sache nicht verglichen werden. Und doch sprechen sie zusammen auch ein Urteil – über die Gesellschaft, in der sie beide nebeneinander stehen können. Und es gibt noch einen anderen Zusammenhang. Ließe das geltende Recht die Millionenschiebungen der Reichen nicht zu, fehlten vielleicht bei der Alimentierung der Armen nicht jene Millionen, die man ihnen nun mittels Gesetzeskraft entzieht – und sie damit noch weiter in Armut stößt. Insofern folgt das, was man Klassenjustiz nennen könnte, der Klassenpolitik – auch ein verpönter Begriff, der damit aber nicht falsch wird.
Siehe auch:
Peter Grottian/Karl-Heinz Selm: Bundessozialgericht legitimiert den Armutssturz – eine Herausforderung für Politik und Sozialprotest (Linke Zeitung vom 23.11.2006)