»Wer ist wer?« – a lá Mielke?

»Flächendeckende Überwachung« – der Begriff war in Nachwendezeiten ein Synonym für Stasi-Machenschaften, für ungezügelte Eingriffe in die Intimsphäre der DDR-Bürger, für die unheimliche Macht dieses Geheimdienstes. Da war etwas dran, und eben darum schlug sich der Rechtsstaat auf die Brust: So etwas ist bei uns nicht möglich.

 

Heute nun hat der Bundestag Gesetze beschlossen, die unter anderem Folgendes enthalten: Einrichtung einer Anti-Terror-Datei, in der Verdächtige nicht nur mit ihren Personaldaten, dem Terrorverdacht und Waffenbesitz erfasst werden, sondern auch mit Telefonnummern, Bankverbindungen, Ausbildung, Beruf, Arbeitsstelle, Familienstand, Religionszugehörigkeit und Reisen. Außerdem werden alle ihre Kontakte aufgelistet, ob im Wohnbereich, auf der Arbeitsstelle, Im Verein oder sonstwo, und diese Kontaktpersonen können – je nach Intensität des Kontakts – sehr schnell auch den Verdächtigen zugerechnet werden, womit eine weitere große Personengruppe in die Geheimdienstakten gerät. Denn alle diese Daten dürfen von Polizei- wie Geheimdienststellen genutzt werden, zwar unter vorgeblichen Auflagen, doch was die Wert sind, zeigt die ständig sprunghaft steigende Telefonüberwachung, die zwar richterlich angeordnet werden muss, was aber in hohem Maße nur pro forma geschieht. Schon bei Erich Mielke gab es eine solche Praxis. Er nannte sie das Wer-ist-wer-Prinzip. Die Große Koalition hat es jetzt übernommen.

Dass die »flächendeckende Überwachung« dabei aber nicht stehen bleiben wird, zeigte diese Tage eine Verfassungsklage von 6000 Bürgern, die sich damit gegen eine geplante sechsmonatige Speicherung aller Telekommunikationsdaten (Festnetz, Handy, e-mail) wehren, die zu »Fahndungszwecken« erfolgen soll. Dadurch würde es möglich, so erklärten die besorgten Bürger, für jedermann Bewegungsprofile zu erstellen, Kontakte zu rekonstruieren, Freundschaften auszuforschen. Also eine »flächendeckende Überwachung« par excellence – 17 Jahre nach der Wende.