Dass aus der so genannten Gesundheitsreform noch etwas Vernünftiges wird, bezweifeln inzwischen fast alle Beteiligten – bis hinein in die Fraktionen der großen Koalition. Insofern kann man sie getrost als gescheitert bezeichnen, auch wenn vielleicht unter großen Mühlen noch so etwas wie ein lebensuntüchtiger Homunculus zur Welt gebracht wird,. Ursache dieses Scheiterns ist die Ausgangskonstellation selbst, die große Koalition. Und das weniger aus ideologischen Gründen, wie mancher mutmaßt, denn die zählen für eine SPD, die sich längst mit der Union im Umverteilungswettbewerb von unten nach oben befindet, kaum noch. Die von ihr im Wahlkampf abgelehnte und dann doch blitzschnell beschlossene Mehrwertsteuererhöhung, die Erweiterung von Rentenkürzungen auf jene, die vor dem 67. Lebensjahr Altersbezüge in Anspruch nehmen, und letztlich auch die faktische Zustimmung zum entsolidarisierenden »Gesundheitsfonds« zeigten das in aller Deutlichkeit.Nicht wegen eines vorgeblichen sozialen Gewissens der Sozialdemokraten steht die Gesundheitsreform dennoch vor dem Scheitern, sondern weil sie bei der nächsten Bundestagswahl um Wählerstimmen fürchten. Während CDU und CSU ihre Klientel weitgehend bedienen und sich deshalb auch in den Umfragen stabilisieren, stagniert der Wählerzuspruch für die SPD auf niedrigem Niveau. Die Klügsten ihrer Abgeordneten wissen längst, dass sie auch mit der Missgeburt im Gesundheitsbereich nicht punkten können, aber bis zur Parteispitze ist diese Erkenntnis noch nicht durchgedrungen. Sie will retten, was nicht mehr zu retten ist und führt eine ziemlich aussichstlose Abwehrschlacht gegen die Union, die sie zu weiteren Zugeständnissen zwingen wird – sofern sie das verlorene Spiel nicht beendet.
Von vornherein war klar, dass in einer großen Koalition, in der beide Seiten bestrebt sind, den ungeliebten Partner auf Zeit durch eigenen Zugewinn an Wählern recht schnell wieder los zu werden, vernünftige Politik kaum zu betreiben ist. Sieger bleibt hier nie das Gemeinwesen, sondern immer nur der, der den anderen Koalitionär am besten über den Tisch zu ziehen versteht. Das war bisher die Union – und zwar zum Schaden der Mehrheit der Bürger. Insofern wäre die Aufkündigung der »Gesundheitsreform« durch die SPD wenigstens ein Stück Schadensbegrenzung – für die Partei und für uns alle.