Schon Marx merkte an, dass im Kapitalismus alles zur Ware wird, letztlich auch die Arbeitskraft des Menschen – ganz gleich, in welcher Form er sie einsetzt. Für diese Arbeitskraft zahlt der Kapitalist Geld, weil er sich von ihrem Einsatz Gewinn verspricht. Der Arbeitskraftbesitzer aber – so Marx – »arbeitet, um zu leben. Er rechnet die Arbeit nicht selbst in sein Leben ein, sie ist vielmehr ein Opfer seines Lebens. Sie ist eine Ware, die er an einen Dritten zugeschlagen hat. Das Produkt seiner Tätigkeit ist daher auch nicht der Zweck seiner Tätigkeit.«
Schon Karl Marx also erklärte erschöpfend, was heute manchen erstaunen lässt: Wer dafür Bedarf hat, kann jetzt auch »Protestierer auf Abruf« kaufen. Der Internet-Vermieter Erento bietet 281 »Demonstranten« an und stellt sie alle auch mit Bild und allerlei Detailangaben vor, die von Körpergröße über Hautfarbe, Haarlänge, BH-Größe und Einsatzort bis zur Tagespauschale reichen. Selbst Kostümvorschläge kann der Interessent beim Anbieter abrufen. Es ist also an alles gedacht; wenn es um Profit bringenden Warenaustausch geht, lässt es der Kapitalimus an Perfektion nicht fehlen.
Dennoch mag die Ausweitung der Warengesellschaft auf den menschlichen Protest erstaunen, war er doch bisher ein spontaner, oft auch emotionaler und in diesem Sinne persönlich motivierter Vorgang. Es zeigt nur die Konsequenz dieses Systems, dass es bei Nachfrage auch einen solchen Bereich seinen Gesetzen unterwirft. Denn warum soll dort, wo – siehe Marx – alles zur Ware wird, nicht auch der Protest nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung verteilt werden. Hinzu mag kommen, dass originärer, authentischer Protest für den Einzelnen schon lange kaum noch etwas bewirkt, was ihn auch für jene, die ihn ehrlich – und unentgeltlich! – auf den Markt tragen, entwertet. Gebraucht wird er dennoch in einer Mediengesellschaft, bedarf sie doch eindrucksvoller Bilder über das tägliche Geschehen. Und die sind nun einmal viel besser mit Komparsen zu organisieren als mit tatsächlichen, Regieanweisungen möglicherweise wenig zugänglichen Demonstranten.
Damit ist nichts gegen die »Protestierer auf Abruf« selbst gesagt – im Gegenteil. Sie verkaufen ihre, in diesem Falle sehr spezifische Arbeitskraft, um davon zu leben. Und das Produkt dieser Tätigkeit ist, wie eben schon Marx fand, nicht der Zweck ihrer Tätigkeit. Wünschen wir ihnen also eine heftig steigende Nachfrage. Sie tun für uns alle ein gutes Werk – und für sich auch.