Erst wenn 140 Abgeordnete der großen Koalition im Bundestag Nein sagen, ist die Regierungsmehrheit in Gefahr. Etwas über 50 haben bei Probeabstimmungen zur Gesundheitsreform Ablehnung zu Protokoll gegeben, aber SPD-Fraktionschef Peter Struck schäumt. Er wolle vor allem jene SPD-Mitglieder des Gesundheitsausschusses maßregeln, vielleicht gar abberufen, heißt es, die sich gegen das Gesetzeswerk wandten – es sind immerhin sechs und damit fast alle der in den Bundestagsausschuss entsandten Sozialdemokraten. Sie sitzen dort als Experten, und als solche haben sie erkannt, welcher Pfusch die so genannte Gesundheitsreform ist, doch das sollen sie wider besseren Wissens für sich behalten und Ja sagen, nur weil es Regierung und Koalitionsspitze aus Machträson so wollen.
Das taten die sechs zwar nicht, aber ihr »Kompromiss« war beinahe genau so faul wie das falsche Ja. Sie blieben dem Ausschuss einfach fern und schickten sechs angepasste Stellvertreter in das Gremium, die brav ihre Hand bei der Abstimmung hoben. Damit verpassten die Gesundheitsexperten die einzige Möglichkeit, das Gesetz noch zu Fall zu bringen, wie es einige von ihnen zuvor vollmundig erklärt hatten. Vor allem Karl Lauterbach und Wolfgang Wodarg. Letzterer hatte angekündigt, er wolle »bis zuletzt kämpfen« und getönt: »Die Reform steht immer noch auf der Kippe.« Dann trat er zur Seite und gab dem Vorhaben die Standfestigkeit zurück. Er hat seine »Gewissensentscheidung« einfach verschluckt.
Genützt hat es ihm wie den anderen halbherzigen Abweichlern möglicherweise wenig, wie die Pläne Strucks zeigen. Er wird dafür sorgen, dass künftig für die große Koalition nichts mehr auf der Kippe steht, indem er mit der Fraktionsmehrheit einfach die Kritiker kippt.