Wenn es nach Wolfgang Schäuble ginge, könnte der Krawall rund um den G-8-Gipfel in Heiligendamm gar nicht groß genug sein. Natürlich weiß er genau, dass seine mehrtausendköpfige Polizeimacht damit ohne Schwierigkeiten fertig wird; dennoch provoziert er kräftig, um Emotionen hochzuschaukeln, die dann die gewünschten martialischen Bilder zur Folge haben, mit denen sich so schön Politik machen lässt. Die Razzia bei links-autonomen Gruppen, die selbst in den eigenen Reihen hinter der vorgehaltenen Hand als überzogen kritisiert wurde, die Ankündigung von »Unterbindungsgewahrsam«, für den bereits »Sammelstellen« eingerichtet wurden, die man bezüglich der DDR noch »Internierungslager« nannte, die Mauer rund um das Kongresszentrum, vornehm »technisches Sperrwerk« genannt – auch hier lernte man offensichtlich von der DDR, die ihr diesbezügliches Bauwerk als »antifaschistischen Schutzwall« bezeichnete, das Demonstrationsverbot in einem weiten Umkreis um das Ostseebad und die ständige Angstpropaganda, die sich nur auf Mutmaßungen und Behauptungen, in keinem einzigen Fall jedoch auf belastbare Fakten stützt – all das soll provozieren, Heißsporne, die es in der Anti-G-8-Bewegung natürlich auch gibt, zu unüberlegten Handlungen verleiten, gegen die man dann »mit der ganzen Härte des Gesetzes« vorgehen kann. Um anschließend die bereits bekannten Forderungen zur Inneren Sicherheit mit neuem Nachdruck auf den tisch legen zu können.
Schäuble hat Erfahrungen mit derlei politischer Ranküne. Als Anfang der 90er Jahre das Asylrecht abgeschafft werden sollte und sich die SPD dagegen halbherzig wehrte, wurde die infolge des Umbruchs in Osteuropa sprunghaft angestiegene Zahl von Asylbewerbern dazu genutzt, Horrosszenarien nicht nur verbal zu verkünden, sondern sogar praktisch vorzuführen, indem man – wie 1992 in Rostock-Lichtenhagen – die Situation schlecht versorgter Flüchtlinge eskalieren ließ und damit den »Volkszorn« der Einheimischen entfachte, bis die Sozialdemokraten klein beigaben und 1993 der faktischen Abschaffung des Asylrechts zustimmten. Damals war Schäuble Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und einer der Haupteinpeitscher der neuen Gesetzgebung; die Krawalle rund um das Rostocker Asylbewerberheim kamen ihm damals gerade recht.
Heute geht es dem Innenminister um neue Sicherheitsgesetze, die – eine kleine Auswahl – die heimliche online-Überwachung von Computern gestatten, den Zugriff auf möglichst viele Daten der Bürger erlauben, die Wiedereinführung der DDR-Personenkennzahl – lange als Instrument eines Überwachungsstaates gegeißelt und daher heute als »Identifikationsnummer« bezeichnet – und den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ermöglichen sollen. Noch ziert sich die SPD in einigen Punkten; da könnte es doch hilfreich sein, wenn es ein wenig Unruhe im Lande gibt, mit der man die Genossen unter Druck setzen kann.
Wolfgang Schäuble nennt sein Tun »Terrorbekämpfung«, auch wenn von einer tatsächlichen Terrorgefahr hierzulande weit und breit nichts zu sehen ist. Er braucht aber den Terror, um seine Ziele durchzusetzen. Und da macht er ihn eben selbst. Man sollte weder darauf hereinfallen noch ihm das durchgehen lassen.
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