Es gibt doch noch Zeichen und Wunder. Ein Arbeitgeberverband hat gerade erst einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag über einen Mindestlohn angeboten, und der soll – sage und schreibe – zwischen neun und zehn Euro liegen. Übermäßig viel ist das zwar auch nicht, aber gemessen am Hungersalär, das inzwischen in vielen Branchen gezahlt wird, zumindest ein Einkommen, das als existenzsichernd gelten kann. Der spendable Arbeitgeber ist die Deutsche Post AG mit einer Reihe ihrer Tochterfirmen, und er tut das natürlich nicht aus lauter sozialer Verantwortung, sondern um sich der wachsenden Konkurrenz von Billiganbietern auf dem Postsektor zu erwehren. Mit einem Mindestlohn, der für die gesamte Branche gelten und vom Gesetzgeber, wie jetzt angedacht, garantiert würde, könnte er dies erreichen.
Dieses Vorgehen jedoch ruft sogleich allerlei Verfechter neoliberaler Geschäftspraktiken auf den Plan, die die »Wettbewerb« gefährdet sehen und den Abbau von Arbeitsplätzen befürchten. Es geht dabei aber um einen Wettbewerb, der weder den Beschäftigten dieser neuen Firmen wie PIN AG oder TNT Post noch deren Kunden und schon gar nicht der Allgemeinheit nützt. Die Chefs der neuen Firmen zahlen nämlich unter Ausnutzung der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit ihren Bediensteten derart niedrige Löhne, dass diese zusätzlich Sozialhilfe beantragen müssen; sie lassen sich also ihr Niedrigstlohnprogramm aus den Sozialsystemen subventionieren und schädigen damit den Steuerzahler, also die Allgemeinheit. Gleichzeitig zwingen sie ihre Kunden, sich auf eine 24-Stunden-Überwachung ihrer Briefkästen einzustellen, weil irgendwann vielleicht doch noch ein wichtiges Schreiben eingeworfen wird. Nutznießer sind außer den Bossen dieser Pseudo-Wettbewerber nur einige Großkunden, wozu allerdings auch staatliche Behörden gehören, die damit solch unmoralischem Vorgehen auch noch Vorschub leisten. Sie glauben zu sparen und müssen zugleich das Mehrfache an Sozialleistungen aufbringen.
Aus all diesen Gründen ist das Vorgehen der Deutschen Post AG trotz der eigennützigen Motive sehr zu begrüßen, wird doch auf diese Weise erstmals ein Billiganbieter, dem es nur um schnellen Profit auf Kosten seiner Beschäftigten und der Kunden geht, gestoppt. Will er weiter auf dem Markt agieren, muss er sich wenigstens Mindestregeln eines moralischen Wirtschaftens unterwerfen. Will er das nicht und geht unter, ist das nur gerecht, denn er hat sein Gewerbe bewusst auf den Verlusten für andere aufgebaut. Und die Arbeitsplätze, die er schuf? Wenn die ihren »Besitzer« nicht einmal ernähren, sind es nicht wert, erhalten zu werden.
Hallo, Peter Richter,
ich habe Deine Rezension – im Eiltempo – zu dem Buch über die Ostmanager bzw- über Manager, die sich im Osten in der Wirtschaft oder Politik etabliert bzw. niedergelassen haben, gelesen. Sehr guter Beitrag. Zu Details würde ich mich sehr gern mit Dir darüber unterhalten – zum Beispiel darüber, warum Ost-Opportunisten heute solch „hochqualifizierte“ West-oder Gesamtdeutsche Opportunisten sind!!!
Damit hätte ich zugleich zum ersten Mal Dein journalistisches Angebot kontaktiert. Übrigens hat mich Uwe Gerig auf die Rezension des Buches hingewiesen! Hans Häber