Wenn es zu diesem Jahreswechsel ein positives Zeichen gibt, dann dieses: Die Krise erreicht den Reichtum. Für die untere Hälfte der Gesellschaft stellt das kein neues Problem dar, ist für sie doch die Krise Lebenswirklichkeit seit Jahren. Schlagzeilen hat das nie produziert; dazu waren Arbeitslose, Billigjobber, Rentner, Kranke zu unwichtig. Weinerliches Krisengeschrei ertönt aus den Medien des Establishments erst, seit die Krise auch nach den Reichen greift.
Dabei tut die Krise der Reichen der Welt gut. Weniger spitfressende und CO2-ausstoßende Autos werden gekauft und gefahren. Der Ölpreis fällt, was Energiereserven erhält. Golfplätze veröden. Der Flugverkehr – mit Frachten wie Menschen – sinkt. Luxusläden schließen, wodurch die Nachfrage nach Überflüssigem zurückgeht – auch das mit positiven Wirkungen für knappe Ressourcen. Spekulation funktioniert nicht mehr wie früher, was vor allem den Armen helfen kann. Man könnte die Aufzählung fortsetzen. Unsere schon fast erschöpfte Erde bekommt eine Atempause, und die Mehrheit ihrer Bewohner profitiert davon eher als dass es schadet.
Aber die Oberklassen-Minderheit bekommt das große Zittern – und mit ihr die Regierungen, die sich vor allem dem Reichtum verpflichtet fühlen. Keiner fragte nach den Folgen für künftige Gwenerationen, als die Milliardenpakete für die Banken geschnürt wurden. Jetzt sollen Produktionen, die der Markt, der eigentlich alles richtet, für überflüssig erklärt hat, mit weiteren Milliarden künstlich am Leben erhalten werden. Man sorgt sich um das Kapital, das als scheues Reh verharmlost wurde und doch ein reißender Wolf ist. Um jene, deren Zukunftsperspektiven sich seit Jahren nach unten entwickeln, sorgt sich niemand, im Gegenteil. Wo sie Forderungen stellen, erinnert sich die Politik plötzlich wieder der künftigen Generationen und ruft zum Maßhalten auf.
Aber viele sind wach geworden. Allzu deutlich wurde, wie schnell Regierungen für die Reichen in die Bresche springen, während den Armen Verzicht gepredigt wird. Die untersten Drittel der Gesellschaft glauben nicht so recht an das Krisengerede, denn schließlich ist es nicht ihre Krise. Und sie sind immer weniger bereit, die Kosten für die Krise der Reichen zu tragen, ihnen die Folgen des von ihnen selbst verursachten Desasters zu ersparen. Die Versuche der Wirtschaftsbosse wie der meisten Politiker, auch diesmal die Verluste zu sozialisieren, sind zwar in vollem Gange und dürften die so genannten Konjunkturprogramme des kommenden Jahres bestimmen. Doch auf der anderen Seite formiert sich der Protest gegen solch neue Ungerechtigkeiten; er kann bis zu Eruptionen wie jener in Griechenland führen.
Insofern muss 2009 nicht das von interessierter Seite prognostizierte Krisenjahr werden. Es gibt durchaus die Hoffnung auf eine Umkehr, wenn die Chance genutzt wird, das gescheiterte System gründlich zu erneuern und nicht nur zu reanimieren.
„Insofern muss 2009 nicht das von interessierter Seite prognostizierte Krisenjahr werden. Es gibt durchaus die Hoffnung auf eine Umkehr, wenn die Chance genutzt wird, das gescheiterte System gründlich zu erneuern und nicht nur zu reanimieren.“
Es würde ja auch endlich einmal Zeit, daß ein „Ruck“ durch die kapitalistisch geprägte und deformierte Weltschickalsgemeinschaft geht. Dem „Super-Kapitalismus“ (Robert Reich) müssen seine ökonomischen, politischen und öko-sozialen Grenzen aufgezeigt werden. Hat sich doch in den vergangenen Jahrzehnten der neoliberalistischen Gegenreform mit dem jetzigen Höhepunkt der weltweiten Rezession überdeutlich gezeigt, daß „Reichtum Armut schafft“ (Karl Georg Zinn), aber auch, daß Keynes mit der gegenwärtig zu beobachtenden Rückkehr des Staates in die globale und nationale Wirtschaftspolitik doch recht gehabt hat. Freilich sind die besitzstandswahrenden und reformverweigernden Beharrungskräfte des Kapitals und seiner politischen und medialen Verbündeten nicht gebrochen.