Die Mär, dass durch den Einzug von fünf oder gar mehr Parteien in die Volksvertretungen das parlamentarische System destabilisiert würde, hat sich nun auch in Hessen ad absurdum geführt – wie zuvor schon in Niedersachsen und Bayern. In allen drei Bundesländern gibt es schon bzw. demnächst stabile Regierungen, obwohl in ihren Parlamenten jeweils fünf Parteien sitzen. Auffällig ist jedoch, dass es in allen drei Fällen schwarz-gelbe Koalitionen sind, die die Mehrheit gewannen. Und dass dort zugleich die SPD so schlechte Ergebnisse wie kaum zuvor erzielte. Wo CDU/CSU und FDP reüssierten, war und ist das mit dem Niedergang der Sozialdemokratie verbunden.
Ein Zufall ist das freilich nicht, hat doch die SPD durch ihre rechtslastige Politik die eigene Anhängerschaft minimiert und damit dem so genannten bürgerlichen Lager zum Aufschwung verholfen. Insofern betätigte sich die rechte SPD als Geburtshelfer von Schwarz-Gelb – und es sieht so aus, als wolle sie das auch weiterhin tun. Dabei übersieht sie geflissentlich jene Signale, die aus dem hessischen Wahlergebnis eben auch abzulesen sind – und zwar aus den Resultaten von Grünen und Linkspartei. Beide, die sich mit dem Ziels eines Neuanfangs in Hessen ohne Koch trotz vielfältiger eigener Bauchschmerzen zum Zusammengehen mit der schwankenden SPD durchgerungen hatten, verloren nicht nur nicht an Stimmen, sondern gewannen noch dazu, vor allem die Grünen, in Prozentzahlen aber auch die Linken trotz der medial genüsslich ausgemalten inneren Querelen. Es war also allein die SPD, die von den Wählern für das Scheitern des Politikwechsels abgestraft wurde; wobei es zu kurz greift, die alleinige Schuld bei Andrea Ypsilanti zu suchen. Zwar mögen jene SPD-Wähler des Jahres 2008, die jetzt zur FDP oder CDU wechselten (die ihrerseits Stimmen an die FDP verlor), damit gegen Ypsilanti votiert haben, aber die andere Hälfte der SPD-Verluste findet sich jetzt bei den Grünen wieder; das sind ohne Zweifel diejenigen, die auf ein Gelingen des rot-grün-roten Projekts gehofft hatten.
Dass dieses Vorhaben nicht gelang, war jedoch wesentlich dem Vorgehen rechter SPD-Kreise geschuldet. Sie hatten schon bald nach Ypsilantis Wahlerfolg vom vergangenen Janaur eine kaum verhüllte Kampagne gegen sie losgetreten, in die dann auch der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck einbezogen wurde, weil er nach Meinung der SPD-Rechten nicht entschieden genug gegen die hessischen Pläne vorging. Diese Kreise ermutigten auch ihre Parteigänger innerhalb der hessischen SPD, das rot-grün-rote Projekt zu Fall zu bringen; die Etablierung des Schröder-Vertrauten Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat war dann nur noch der letzte Baustein zur geplanten Fortsetzung der großen Koalition, der nach Lage der Dinge einzigen Konstellation, in der die SPD auch nach der nächsten Bundestagswahl wieder Kabinettsposten besetzen kann.
Das allerdings könnte sich leicht als Irrtum erweisen, denn Hessen hat gerade gezeigt, dass die FDP durchaus in der Lage ist, wirtschaftsliberale und von der diesbezüglich vorsichtigen Merkel-Politik enttäuschte Unionsanhänger aufzufangen, während die CDU zugleich von der SPD jene abzieht, die sich sagen: Wenn schon Rechtskurs, dann mit denen, die mehr davon verstehen. Die 25 bis 30 Prozent, die vielleicht dennoch weiter zur SPD halten, sind dann für politische Mehrheiten in diesem Land nicht mehr relevant – es sei denn, man reißt die gegen Links errichtete Mauer ein.
Medienhetze und Genossenhinterlist haben zu dem geführt, was man zwar nicht mehr als die sog. Hessischen Verhältnisse der relativen politischen Instabilität bezeichnen kann. Aber dafür ist man vom Regen in die Traufe gekommen: Denn wem ist damit wirklich gedient, daß aus dem einst „roten Hessen“ mit Politikwechselambitionen ein Land der rechtslastigen Koch-CDU und der namenlosen Wirtschafts-FDP geworden ist?
Mit der Sehnsucht der Deutschen nach vermeintlicher Sicherheit in der politischen Stabilität von bürgerlichen Regierungen vor den Irrungen und Wirrungen der kapitalistischen „Hochstapler“-Gesellschaft liefern sich die getäuschten Menschen in Wahrheit aber den eigentlichen Verursachern der wirtschaftlichen und sozialen Instabilität ans „politische Messer“.
Die Mär, dass durch den Einzug von fünf oder gar mehr Parteien in die Volksvertretungen das parlamentarische System destabilisiert würde, hat sich nun auch in Hessen ad absurdum geführt – wie zuvor schon in Niedersachsen und Bayern. In allen drei Bundesländern gibt es schon bzw. demnächst stabile Regierungen, obwohl in ihren Parlamenten jeweils fünf Parteien sitzen.
Ganz so einfach ist es ja nicht. Zugegeben, auch mit fünf Parteien im Parlament kann es Zweiparteienkoalitionen geben aus einem großen und einem kleinen Partner (also nicht nur die Große Koalition). Aber statistisch wird es eben immer schwieriger als in einem Drei- oder Vierparteienparlament. Immerhin haben wir im Bund eine Große Koalition, die wahrscheinlich die wenigsten Wähler wollten.
Dabei möchte ich mich gar nicht ausschließlich auf die Linke als vermeintlich „überflüssige“ Partei konzentrieren. Das Problem ist ein systemisches und kein Problem, das mit dem Verschwinden oder Dazukommen einer einzelnen Partei ursächlich zu tun hat.