Wenn etwas zeigte, wer in der heutigen globalisierten Welt wirklich das Sagen hat, dann war es der vergangene Dienstag. Eben wurde Angela Merkel noch in Washington vom US-Kongress mit stehenden Ovationen auch für ihr Bekenntnis zur Globalisierung gefeiert, da offenbarte im nur 600 Kilometer entfernten Detroit das ziemlich gesichtslose Management eines einzigen amerikanischen Autokonzerns der von Medien gern zur »mächtigsten Frau der Welt« Erklärten ihre tatsächlich Ohnmacht. Obwohl sie mit hohem persönlichen Einsatz – um ihren Wahlsieg nicht zu gefährden – für einen Verkauf der Opelwerke durch General Motors (GM) an Magna geworben und dafür aus dem klammen Haushalt 4, 5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt sowie 800 Millionen bereits an GM als Überbrückungskredit ausgezahlt hatte, focht dies die Detroiter Manager nicht an. Sie widerriefen kurzerhand den Verkauf und bremsten damit die Bundesregierung ziemlich hemdsärmlig aus; ob und wann sie die Millionenspritze zurückzahlen, steht in den Sternen.
Die Schlappe war freilich vorauszusehen, denn natürlich ist heute keine noch so wichtige Regierung mehr in der Lage, die durch politische Fehlentscheidungen in Jahrzehnten entfesselte Wirtschaft zu zügeln. Das hatte gerade erst die Finanzkrise gezeigt, die die Staaten zu milliardenschweren Stützungsdaktionen für Banken nötigte, die ihrerseits stets staatliche Eingriffe in ihr riskantes Tun zum eigenen Nutzen abgelehnt hatten. Was auf ökonomischem Feld geschieht, entscheiden zu allererst Konzerne und Finanzinstitute, nicht Regierungschefs und Wirtschaftsminister. Gerade Angela Merkels neuer Koalitionspartner hat für eine solche Wirtschafts(un)ordnung verbissen gekämpft; man wird nun sehen, wie er mit ihren Folgen fertig wird.
Für die Betroffenen, vor allem die Beschäftigten der mehr als einem Dutzend europäischer Opelwerke, darunter vier deutsche, die nun um ihre Arbeitsplätze fürchten, bedeutet das wenig Gutes. Sie werden die Versäumnisse der Politik ausbaden müssen, die viel zu lange bereit war – und möglicherweise immer noch ist, Milliardensummen in eine Branche zu stecken, die seit langem unter Überkapazitäten ächzt, statt in neue, zukunftssichere Industrien zu investieren. Immer wieder verstoßen die Herolde der Marktwirtschaft gegen deren eigene Gesetze, weil sie unbeweglich an Althergebrachtem festhalten und nicht in der Lage sind, kreativ und innovativ die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu unterstützen. Längst hätte die Politik an den Opel-Standorten andere Möglichkeiten der Wirtschaftsentwicklung eruieren und dafür die für Opel vermutlich vergeudeten Finanzmittel einsetzen müssen.
Und wo das seine Zeit braucht, die Menschen aber vor dem – nicht von ihnen verschuldeten – sozialen Absturz bewahrt werden müssen, geht es ebenfalls um neue Ideen und deren Umsetzung – in der Regel um eine Mischung aus sinnvoller Betätigung, zum Beispiel in einem öffentlichen Beschäftigungssektor, und zumindest zeitweiligen Sozialtransfers. Von einem FDP-Wirtschaftsminister ist Derartiges allerdings kaum zu erwarten. Er wird darauf orientieren, Millionen und Milliarden in die alten Standorte zu stecken, auch wenn es für die weit und breit kein schlüssiges Konzept gibt, und ansonsten die entlassenen Autowerker auffordern, doch ihr Schicksal gefälligst in die eigenen Hände zu nehmen. Regierungsamtlicher Wunderglauben ist also auch weiterhin zu befürchten – obwohl er gerade krachend in die Sackgasse geführt hat.