Emil Steinberger hat es uns schon vor mehr als 30 Jahren mitgeteilt. In dem Film »Der Schweizermacher« hielt er seinen Landsleuten einen Spiegel vor, aus dem ihnen eine ziemlich hässliche Visage entgegenblickte. Die ist seither nicht schöner geworden, wie wir am letzten Wochenende bei der Volksabstimmung über ein Verbot des Baus von Minaretten in der Schweiz erfahren mussten. Die Empörung darüber ist groß, nicht zuletzt in den Nachbarländern, die nun noch mehr glauben,sich über die kleine Eidgenossenschaft erheben zu können.
Mitten in Europa also religiöse Fundamentalisten, die für das Ausleben ihrer christlichen Gesinnung das Verbot der Symbole anderer Religionen benötigen. Für die Toleranz ein Fremdwort ist, wenn es darum geht klar zu machen, wer allein sich als Herr im Hause fühlen darf. Fürwahr ein Vorgang, der zwar demokratisch dem Buchstaben nach zustande kam, aber dem Geiste nach mit Demokratie wenig zu tun hat. Und dennoch: Die jenseits Schweizer Grenzen zur Schau getragene Abscheu ist nichts als heuchlerisch, denn Fundamentalisten solch Schweizer Art gibt es überall rund herum. Die Schweiz ist lediglich so plebiszitär verfasst, dass es bei ihr an den Tag kam. Vergleichbare Volksabstimmungen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Dänemark, in den osteuropäischen Ländern hätten – da soll man sich von unverbindlichen Umfragen nichjt täuschen lassen – nichts anderes ergeben, mal weniger eindeutig vielleicht, mal aber auch merklich deutlicher. Überall tobt sich Fundamentalismus aus, der sich oft christlich verbrämt – nicht selten besonders bei jenen, die überhaupt nicht in die Kirche gehen, sondern nur eine Rechtfertigung für die Pflege ihrer Feindbilder brauchen. Feindbilder und Fundamentalismus sind zwei Seiten einer Medaille; wer sich für den Besseren hält, braucht einen, dem er alle Schlechtigkeiten dieser Welt vorwerfen kann.
Insofern ist Europas Fundamentalismus nicht besser als der islamische. Natürlich hätte eine Volksbefragung in einem arabischen Land, ob neue christliche Kirchen oder jüdische Synagogen gebaut werden sollten, ein gleichartiges Resultat erbracht. Das wird auch immer wieder ins Feld geführt; es stellt aber nur das angeblich so aufgeklärte Abendland auf eine Stufe mit Fanatikern der islamischen Welt. Und es verdeutlicht, dass es – ungeachtet der aufopferungsvollen Arbeit vieler, die ihren Mitmenschen beistehen und die Kraft dafür aus ihrem Glauben beziehen – eben nicht zuletzt Religionen sind, die Unfrieden in die Welt bringen. Religionen, die politischen Zwecken unterworfen werden und zulassen, dass dies geschieht.