Politiker eher schlichten Gemüts versuchen ihre konzeptionelle Ödnis nicht selten durch besonders forsche Sprüche und voluntaristische Ankündigungen zu überspielen. Das kann man gegenwärtig sehr anschaulich am deutschen Vizekanzler und FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle beobachten. Was auch immer an begründeten Argumenten gegen einige angejahrte und mithin aus der Zeit gefallene FDP-Forderungen vorgebracht wird, Westerwelle wischt es jeweils mit großer Geste und lautstarker Rhetorik weg. Die Liberalen seien gar nicht mehr die Partei der Besserverdienenden, stellte ein Kommentator in seiner 100-Tage-Bilanz der schwarz-gelben Regierung treffend fest. »Sie sind nur noch die Partei des Besserwissers.«
Tatsächlich hat die FDP in elf Jahren ohne Regierungsamt die Oppositionsstrategie, mit der sie vor allem der eigenen wohlbetuchten Klientel alles versprach, was die nur hören wollte, derart verinnerlicht, dass sie überhaupt nicht mehr in der Lage ist, für die gesamte Gesellschaft zu denken und damit eine nachhaltige Politik – nicht einmal zugunsten des eigenen Machterhalts – zu verfolgen. Die jüngsten Umfragen verdeutlichen den dramatischen Verfall ihres Ansehens in der Bevölkerung. Westerwelle, in typisch narzisstischer Selbstüberschätzung, sieht das Übel jedoch allein in einigen vorsichtigen Zweiflern in den eigenen Reihen bzw. beim Koalitionspartner.
Nun könnte man genüsslich sagen: Lass ihn machen, er wird sich schon abwirtschaften. Doch so einfach stehen die Dinge nicht, hat er doch in Bundeskanzlerin Angela Merkel eine starke Stütze. Sie, intellektuell ähnlich gestrickt wie ihr Vizekanzler, sieht in ihm und der FDP endlich die Chance, jenes neoliberale Programm, das sie 2003 auf dem Leipziger CDU-Parteitag entwarf, auch durchzusetzen. Er soll ihr beim endlich möglichen »Durchregieren« helfen, dafür natürlich auch die Hauptverantwortung übernehmen. Sie dirigiert von der Kapitänskajüte aus den Leichtmatrosen, der sie, ihre Partei und das keineswegs verworfene, nur zeitweise zurückgestellte Leipziger Programm durch die schweren Wasser wachsenden Volkswiderstandes navigieren soll.
Und die Chancen dafür stehen trotz demoskopischer Dämpfer gar nicht so schlecht, weiß man doch, dass die Opposition so lange an tatsächlich wirksamem Widerstand gehindert ist, solange die SPD in typisch opportunistischer Manier zwischen Festhalten an den falschen Beschlüssen ihrer Regierungszeit und verbalen Ankündigungsparolen hin und her schwankt und damit faktisch das Geschäft der Koalition betreibt. So findet selbst der Leichtmatrose Westerwelle noch Helfer – die Schiffsjungen Steinmeier und Gabriel.
Was vielleicht gebraucht würde, wäre eine „Solidarische Moderne“. Ob dieser neu gegründete Think Tank helfen kann, die „linke“ Opposition zu einen?
http://www.solidarische-moderne.de