(pri) So sehr sich die SPD – völlig zu Recht – über das fulminante Ergebnis bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen freut, so wenig Freude wird absehbar die Führungsspitze der Partei damit haben. Denn das Resultat signalisiert vor allem eines – wie sehr sich die SPD-Basis nach einer Politik sehnt, die das Soziale nicht völlig aus dem Blick verliert, die nicht nur stures Sparen, sondern mehr auch Gerechtigkeit bei der Verteilung der in harter Arbeit geschaffenen Werte in den Vordergrund stellt.
Hannelore Kraft hat diese Sehnsucht bedient. 84 Prozent der SPD-Wähler schätzen an ihr, dass sie die Partei ein Stück weit zu ihren Wurzeln zurückgeführt hat; der von ihr vertretenen SPD weisen 53 Prozent wieder Kompetenz für soziale Gerechtigkeit zu, während nach wie vor 60 Prozent die Hartz-IV-Gesetze und die Rente mit 67 ablehnen, also die Markenzeichen der dominierenden Fraktion der Bundespartei, vertreten durch Steinbrück und Steinmeier, denen der Bundesvorsitzende Gabriel und seine Generalsekretärin Nahles bislang weitgehend das Feld überließen.
Noch vor Wochenfrist hatte Torsten Albig, der schleswig-holsteinische Kandidat dieses rechten Flügels, zu dessen Gunsten der zu »linke« Landes- und Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner ausgebootet worden war, die CDU nicht auf den zweiten Platz verweisen können. Unübersehbar noch am Wahlabend Albigs Unbehagen, nun mit den Grünen und dem SSW regieren zu sollen, wo er doch auf eine Koalition mit der CDU unter seiner Führung gehofft hatte. Auch Steinbrück und Steinmeier stehen für solch einen Kurs in die große Koalition. Indem ihnen die Wähler in Nordrhein-Westfalen eine klare Absage erteilten, stellen sie die Bundes-SPD vor eine Zerreißprobe.
Die beiden Vertrauten Gerhard Schröders, der gerade seiner Partei Steinbrück als Kanzlerkandidaten empfahl, werden auf ihren Führungsanspruch kaum kampflos verzichten. Gabriel und Nahles haben sich durch ihren Opportunismus und ihre Sprunghaftigkeit kaum als attraktive Herausforderer für Angela Merkel erwiesen. Hannelore Kraft sieht ihre Aufgabe glaubwürdig in Nordrhein-Westfalen, und ansonsten ist niemand in der SPD in Sicht, der überzeugend eine soziale Renaissance der Partei vertreten könnte. Wieder einmal stellt sich für die SPD die Richtungsfrage, denn die verderbliche Politik der Müntefering und Steinmeier, die nach Schröders Sturz die SPD trickreich auf einen Mitte-Rechts-Kurs festlegten, ist gescheitert. Für eine von ihren Mitgliedern und Wählern gewünschte Sozialdemokratie, die sich auf ihre Traditionen besinnt und die Interessenvertretung nicht für das große Geld, sondern für die kleinen Leute wieder in den Vordergrund stellt, stehen die Aussichten bislang nicht besonders gut.