(pri) Was sich anfangs als typische Nebensache darstellte, die nur im alljährlichen medialen Sommerloch die Chance hat, besondere Aufmerksamkeit zu erregen, hat sich inzwischen zu einer Grundsatzdebatte entwickelt, in der es nicht mehr vorrangig um die Beschneidung muslimischer oder jüdischer Jungen geht, sondern um das Verhältnis von Staat und Kirche, um die Rechte von Kindern und religiöse Indoktrination, um den Rechtsstaat in der Abwehr einer Gesetzgebung nach ideologischem Kalkül.
Dabei hat das Kölner Landgericht gleich in mehrfacher Hinsicht ein juristisch unanfechtbares Urteil gefällt. Es verteidigte das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das als eines der Grundrechte jedes Menschen gilt. Es stärkte die Rechte von Kindern gegenüber ihren Erziehern. Und es bekräftigte eine strikte Trennung von Staat und Kirche, was man angesichts wachsenden Einflusses von Religionen auf das öffentliche Leben, staatliches Handeln eingeschlossen, kaum noch erwartet hatte.
Wie sehr inzwischen Religionsgemeinschaften aller Art der Auffassung sind, der Staat habe ihren Wünschen auch um den Preis der Rechtsbeugung gefügig zu sein, zeigt die darauf entbrannte heftige Debatte, in der Religionen, die sich ansonsten oft bis aufs Messer bekämpfen, plötzlich Schulter an Schulter um ihre ungerechtfertigten Privilegien kämpfen. Logische Argumente spielen dabei kaum eine Rolle; vielmehr geht es um emotionale Befindlichkeiten, teilweise altertümliche Traditionen und das Selbstverständnis von Religionen – alles Dinge, die für staatliches Handeln nicht bestimmend sein können, nun aber zu dessen Maßstab erklärt werden. Berechtigter Widerspruch jedoch wird sofort mit schwerem politischen Geschütz bis hin zum Antisemitismus-Vorwurf beantwortet.
Doch gerade durch ihre Unsachlichkeit hat diese Debatte einige Tatsachen ins Licht gerückt, die ansonsten gern im Dunkeln gehalten werden. Das ist zum einen die beträchtliche Übereinstimmung der Religionen bezüglich archaischer Riten und Gebräuche, die von den Zeitläuften längst ad absurdum geführt worden sind. Während hierzulande zumeist nur die inhumanen Praktiken des Islam artikuliert werden, zeigt sich jetzt, dass es Ähnliches auch im Judentum – wie in vielen anderen Religionen – gibt. Dies unter ausdrücklichen staatlichen Schutz zu stellen, wäre nicht nur ganz allgemein ein gesellschaftlicher Rückschritt, sondern auch ein Freibrief für jede Religion, auf solchen Praktiken weiter strikt zu bestehen. Da wird es schwierig, die Grenze zwischen der Beschneidung von Jungen und der Klitorisentfernung von Mädchen oder gar zu Regeln der Scharia rechtssicher zu ziehen. Wer das nach Gutdünken tut, was oft heißt, nach den Gepflogenheiten des eigenen Kulturkreises, macht Strafrecht tatsächlich, wie Heribert Prantl schreibt, zu einem »Instrument kultureller Bekehrung«. Er meint das freilich als Kritik am Kölner Gericht und übersieht geflissentlich den Balken im eigenen Auge. Auf eine wirkliche Diskussion der Konsequenzen solcher Ungleichbehandlung lässt er sich nicht ein, weil er keine Argumente hat.
Verdienstvoll am Kölner Urteil ist auch die starke Betonung des Kindesrechts. In einer Zeit, wo die Fahne der Menschenrechte sehr schnell erhoben wird, um anderen Völkern das eigene Benehmen beizubringen, ist es geradezu ein Anachronismus, Kinder einem Zwang zu unterwerfen, der keinerlei Nutzen für sie hat, sondern sich nur auf jahrtausendealte, aus einer völlig anderen Zeit stammenden Riten berufen kann. Gewaltlose Erziehung ist nach langem Kampf heute zu einem grundlegenden Leitbild geworden; die von Eltern erzwungene Beschneidung widerspricht dem nicht nur wegen ihrer Gewalttätigkeit. Sie ist letztlich vor allem ein Verstoß gegen die Glaubensfreiheit, nötigt sie doch dem Kind zu einem Zeitpunkt eine Religion auf, zu dem es frei und unabhängig darüber nicht entscheiden kann.
Dass die Bundeskanzlerin und die großkoalitionären Parteien von CSU bis SPD dennoch Ideologie vor Recht stellen, verwundert nicht; dies war in den vergangenen Jahren mit schlechter Regelmäßigkeit zu erleben und musste mehrfach vom Bundesverfassungsgericht korrigiert werden. Insofern passt diese erneute Beschneidung des Rechtsstaats in das Muster einer Politik, die immer weniger auf das Wohl der Menschen und immer mehr auf die Durchsetzung partikularer Interessen ausgerichtet ist.
PETITION GEGEN Beschneidung HIER:
https://www.change.org/de/Petitionen/leutheusser-schnarrenberger-sls-bmj-sch%C3%BCtzen-sie-k%C3%B6rperliche-unversehrtheit-von-kindern-beschneidung
Ich wünsche Frau Merkel viel Glück bei der Verfassungsänderung, denn sie muss nun a.) die körperliche Unversehrtheit der Kinder und b.) die freie Wahl der Religion außer Kraft setzen. Außerdem ist das nicht nur in den Grundrechten sondern auch in den Menschenrechten, die man nicht außer Kraft setzen kann. Meiner Rechtsauffassung nach können alle neuen Gesetze, die das tolerieren, vom Verfassungsgericht außer Kraft gesetzt werden.
Der Versuch einer Änderung erfordert eine 2/3 Mehrheit und ich perönlich hoffe, dass die nicht zustande kommt. Die Angelegenheit ist eine einmalige Gelegenheit, endlich diesen antiquierten Unsinn in Deutschland abzuschaffen. Wir gehen ja auch nicht zum Recht der ersten Nacht zurück, oder? Wer übrigens die deutschen Gesetze nicht mag, der ist nicht gezwungen, in Deutschland zu leben.
Es werden ja auch immer wieder neue Religionen erfunden. Sollte nun jemand eine Religion ausrufen, die es erfordert den kleinen Finger zu amputieren – sind wir dann auch mit von der Partie?
Um noch einmal ganz deutlich zu sein: Das jüdische und muslimische Leben in Deutschland soll blühen, meint Frau Merkel. Spielt sich das auf ‚Hosen runter Parties‘ ab, denn sonst sieht man ja gar nicht, wer wie beschnitten ist.
Es ist sehr ärgerlich, wie viele Politiker sofort einknicken. sobald man ihnen mit Religion kommt. Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass die Vorhautbeschneidung eine uralte, seinerzeit hygienisch begründete Maßnahme ist, die in Afrika jenseits des Judentums und lange vor dem Islam schon praktiziert wurde. Allerdings wurde sie auch in den alten Gesellschaften als Ritual aufgefasst (Initiationsritus, Tapferkeitsprobe).
Die hygienische Begründung ist aus heutiger medizinischer Sicht längst fallengelassen worden, also hat diese Praktik in einer aufgeklärten Gesellschaft nichts zu suchen. Dass große Religionen ausgerechnet diese medizinisch als sinnfrei erkannte Praktik als sinnstiftend betrachten, ist in meinen Augen ein ausgesprochenes Armutszeugnis.
In einer aufgeklärten und religiös toleranten Gesellschaft sollte man diese Praktik der Entscheidung eines volljährigen Menschen überlassen, fertig.
Petition gegen rituelle Beschneidung an Minderjährigen
20. Juli 2012
Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, Personensorgeberechtigten jede rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Jungen (Zirkumzision) oder eines Mädchens (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) im Hinblick auf die Verwirklichung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes oder Jugendlichen bis zu dessen Volljährigkeit zu untersagen. Um dem Individuum die Option auf ein Leben mit unversehrten Genitalien und mit der Option auf eine selbstgeschriebene Biographie zu ermöglichen, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung, ob eine lebenslange Sexualität mit oder ohne Präputium (Junge) oder Klitorisvorhaut (Mädchen) verwirklicht wird, möge der Bundestag beschließen, in das Bürgerliche Gesetzbuch Buch 4 Familienrecht Abschnitt 2 Verwandtschaft Titel 5 Elterliche Fürsorge § 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge einzufügen:
§ 1631d
Verbot der rituellen Genitalmutilation
Die Eltern können nicht in eine rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung ihres Sohnes (Zirkumzision) oder ihrer Tochter (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) einwilligen. Auch das Kind selbst kann nicht in die Beschneidung einwilligen. § 1909 findet keine Anwendung.
http://eifelginster.wordpress.com/2012/07/21/297/