(pri) So gering auch – zumindest angesichts der derzeitigen demoskopischen Zahlen – die Wahrscheinlichkeit ist, dass Schwarz-Gelb mit der Bundestagswahl 2013 sein Ende findet, so beunruhigt sind dennoch politische Kreise und machtorientierte Medien, dass vielleicht doch das »bürgerliche« Zeitalter zu Ende gehen könnte. Und so sind sie emsig bemüht, der Kanzlerin schon mal immer den grünen Blazer zu empfehlen und diesen zugleich so aufzuarbeiten, dass Angela Merkel mit ihrer zunehmend kohl-ähnlichen Statur auch hinein passt.
Dass es so weit kommen konnte, ist zuerst das zweifelhafte Verdienst der SPD, die zielsicher einen Kanzlerkandidaten aus dem Hut zauberte, der in seinen Ansichten wie in seiner Anziehungskraft auf Wähler für alles Mögliche stehen könnte, am wenigstens jedoch für ein neues »rot-grünes Projekt«, das in die heutige Zeit passt. Dadurch verharren die Sozialdemokraten bei 30 Prozent, was die sich wieder auf ihrer ursprünglichen Stärke unter 15 Prozent einpegelnden Grünen in einem vermutlichen Fünf- oder gar Sechs-Parteien-Parlament nicht auszugleichen vermögen. Denn die FDP kann bei aller gegenwärtigen Ablehnung wohl doch damit rechnen, dass sich am Ende genügend »Besserverdienende« finden, die – und seien es nur Wechsel- oder taktische Wähler – bei ihr das Kreuz machen, um sie über die Fünf-Prozent-Hürde zu heben.
Gelingt dies jedoch nicht, bietet sich für die Union allemal die SPD als der bessere, weil pflegeleichtere Partner an – wie schon 2005, als die Steinmeier und Steinbrück umstandslos aus dem Wahlkampf in Merkels Kabinett wechselten und für ein komfortables Übergewicht gegenüber der Opposition sorgten. Eine knappe Mehrheit mit den Grünen, bei denen dann sicher einige die Unterwerfung unter CDU und CSU nicht klaglos mittragen, wäre das größere Risiko.
Dass aber der Kanzlerin der grüne Blazer sogar gegen ihren Willen so eifrig übergeholfen werden soll, hat die einst alternative Partei vor allem sich selbst zuzuschreiben Gerade in der rot-grünen Regierungszeit schwor sie einigen ihrer Grundpositionen so gründlich ab, dass ihr nun zum einen von enttäuschten Anhängern die nächste Häutung zur »bürgerlichen« Partei ohne weiteres zugetraut wird und diese zum anderen jene erwarten (und befördern), die bei den Grünen noch immer Reste einer systemoppositionellen Kraft zu erkennen glauben, die sie ihnen nun endgültig austreiben wollen. Hatten Sie unter Schröder ihre sozialen Forderungen der Agenda-Politik geopfert, ihre Friedenspolitik geradezu ins Gegenteil verkehrt, so sollen sie nun weitere Positionen auf dem Altar Angela Merkels darbringen – für deren autoritäre Europapolitik, für die Minderheitenausgrenzung der CSU, für die Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben.
Noch kokettieren die Bündnisgrünen mit linker Rhetorik, doch wird ihnen diese gerade von jenen kaum noch abgenommen, denen selbst Anflüge von Verbalradikalismus nicht ganz geheuer sind. Die Grünen sollen diesbezüglich endgültig abschwören – wenn nicht vor, so auf jeden Fall nach dem Wahltag. Es steht zu befürchten, dass nicht wenige in der Partei einem solchen faulen Kompromiss zuneigen – wobei ihnen hilft, dass die Linkspartei bisher als überzeugende und damit wählbare Alternative zum politischen und wirtschaftlichen Mainstream ungenügend in Erscheinung getreten ist.
Die 34.Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen zeigte die Ankunft der „Rebellenpartei“ in der bürgerlichen Mitte. In der „Mitte“ spielt die Farbe der Partei nur noch eine untergeordnete Rolle. Wer mit wem ist dann auch egal. Frau Merkel wird so immer Siegerin bleiben, in den Traditionen von Adenauer und Kohl. Die deutsche Gesellschaft erhält damit die Garantie für Stagnation – auch wie bei Adenauer und Kohl. Als Alternative bleibt dem Wähler die Wahlverweigerung und damit der Abbau der Demokratie. Sind doch die alternativen Flügel-Parteien in Deutschland genauso entwickelt wie die Schwingen beim Bundesadler im Plenarsaal des Reichtagsgebäudes in Berlin: Mit Sicherheit fluguntauglich!