(pri) Nach dem hauchdünnen Wahlsieg von Rot-Grün in Niedersachsen, nicht wegen, sondern trotz des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, ist die sozialdemokratische Führung fieberhaft bemüht, keinerlei Zweifel an ihrem Favoriten aufkommen zu lassen und damit auf dem besten Wege, den durchaus möglichen Machtwechsel in Berlin zu verpassen. Denn wenn es eine Überraschung bei der niedersächsischen Landtagswahl gab, dann lag sie in dem deutlichen Hinweis auf eine Wechselstimmung im Land.
Der CDU ist es in Hannover nicht gelungen, trotz eines als Person populären Amtsinhabers ihre Regierungsmacht zu erhalten. Sie gewann zwar 60000 ehemalige Nichtwähler, gab aber fast gleichviel Stimmen an SPD und Grüne ab, und die Blutspende zugunsten der FDP ging vollkommen zu ihren Lasten, so dass ein Nullsummenspiel daraus wurde. Exakt die sechs Prozent der Stimmen, die die Freidemokraten hinzugewannen, fehlten am Ende der CDU.
Hingegen konnten sowohl der SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil als auch die Grünen nicht nur Stimmen von CDU, FDP und der Linkspartei gewinnen; sie mobilisierten auch mehr als 150000 bisherige Nichtwähler für Rot-Grün und dies trotz des Gegenwindes, den die Bundes-SPD mit Steinbrück an der Spitze entfacht hatte.Selbst ein ziemlich unbekannter und wenig charismatischer Politiker wie Weil konnte also davon profitieren, dass die Wähler sich zunehmend vom unsozialen Kurs von Union und FDP abkehren. Er konnte es deshalb, weil er als Sozialdemokrat angenommen wird und, ohne ein Linker zu sein, das Credo der Partei, nämlich soziale Gerechtigkeit, nicht aus dem Auge verloren hat. Die Erfolge von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen, von Torsten Albig in Schleswig-Holstein und nun auch von Weil verdeutlichen, dass viele SPD-Anhänger ihre Hoffnung auf ein Umsteuern ihrer Partei noch nicht aufgegeben haben, auch wenn ihnen diese Kandidaten diesbezüglich nicht mehr als einen Strohhalm hingehalten haben.
Steinbrück aber liefert nicht einmal das, und daher ist es Wunschdenken, nach mehreren gewonnenen Landtagswahlen einen solchen Automatismus auch für die Bundestagswahl zu erwarten, ohne ein entsprechendes personelles Angebot zu haben. Dies aber fehlt der SPD bzw. es war und ist gar nicht gewollt, einen Kandidaten ins Rennen zu schicken, der wenigstens etwas links von der Mitte steht und damit eine Alternative zum neoliberalen Kurs von Schwarz-Gelb darstellt. Die Angst selbst vor ein wenig Linkskurs ist in der derzeitigen SPD-Führung größer als ihr Machtwille. Sie hofft entweder noch immer mit Steinbrück auf eine Quadratur des Kreises oder schickt sich schon in eine Neuauflage des Schicksals als Juniorpartner von CDU und CSU.
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Ein Gespräch, das ich kürzlich mit einem höheren Beamten führte, endete damit, dass wir unsere politischen Ideen damit begruben, dass das derzeitige politische Personal und die Rekrutierung von Nachwuchs nicht Menschen mit inhaltlichen Vorstellungen nach oben befördert sondern nur Machttaktiker. Als die Wahlen 2005 vorbei waren und die Gruppe der Aufsteiger um Hubertus Sieg-Heil sich brüstete: Hurra, wir haben es geschafft, da sagte das mehr über die gegenwärtige Sozialdemokratie als 1000 Blatt Klopapier der Friedrich Ebert Stiftung. Sie betrachten sich als Höflinge, mit dem Duktus der Monarchie, die Medien sind ihre Knechte und Steigbügelhalter und in Wirklichkeit beneiden sie die Professionalität der FDP, die vor ihrem Schrumpfen noch schnell das ganze Umfeld der Partei mit höheren A und B-Besoldungen in den Ministerien absichert- auf das deren Arbeit noch unprofessioneller und parteischer wird. Eine wie auch immer geartete, antieuropäische Gegenrevolution wird diesen Abschaum hinwegspülen.
Der mündige Wahlbürger erstrebt mit seiner Stimme ein „Paradies auf Erden und nicht erst im Himmel“ (frei nach Heine). „Wer mich gut füttert, bekommt gut Milch von mir“, verlanlaßte Bismarck zur Feststellung: Vox populus, vox Rindvieh! Jeder Staatsbürger will Teilhabe am gemeinsam erwirtschafteten Reichtum erhalten als Grundlage für sein Erdendasein. Diese Forderung nach Teilhabe wird immer als „Linkstrend“ dämonisiert und mit „Gleichmacherei“ verunglimpft. Lange Jahre war die deutsche Sozialdemokratie stolz auf diese Schmähungen. Damit wurde sie stärkste Partei im Reichstag unter Kaiser Wilhelm II. Die Möglichkeit in Deutschland ist nach wie vor gegeben. Die Linke müßte sich auf ihre Rolle als „Ostdeutsche Partei“ besinnen. In Neu-Fünf-Land gibt es genug Herausforderungen für sie. Die CSU als eigentliche „Bayernpartei“ sollte ebenfalls die Stärke in ihrer Region wieder herstellen. Die Grünen als Partei des „Neuen Mittelstandes“ ersetzen die FDP. Mit dieser Aufstellung wäre doch Deutschland politisch übersichtlich strukturiert.
Es ist doch nicht verwundernswert, dass die Menschen nach der Krise, die sie mit der CDU erleben durften, möchten, dass jemand den Kurs übernimmt, der ein wenig anders denkt, trotzdem aber nicht zu sehr ins Extreme abschweift.
Hallo Kai Guleikoff
Dein Kommentar gefällt mir sehr gut! Nun die Bürger sind verunsichert von der interner und außer Politik. Die Euro-Entwicklung lässt sich auch viel wünschen.