Rätselhaftes Kambodscha

II. Mekong und Tonle Sap, die Lebensadern des Landes

 

(pri) Von Phnom Penh aus stromaufwärts kann man den Mekong Richtung Norden auf die Grenze nach Laos zu befahren. Vor allem in der Umgebung der Hauptstadt stößt man dabei immer wieder auf schwimmende und dann zunehmend am Ufer liegende Dörfer mit ihren einfachen Pfahlbauten. Wir erreichten in größter Mittagshitze Kompong Domrey, das wir auf einem Spaziergang auf unebenen Wegen erkundeten. Wir sahen eine Ziegelei, deren Arbeiter jedoch der Hitze wegen pausierten, die Pfahlbauten mit ihren unterschiedlichsten Funktionen, eine Reisschnapsbrennerei, deren Einrichtung aus dem Museum zu stammen schien; trotzdem probierten wir von dem frisch gebrannten, noch warmen, angeblich 60 prozentigen Gesöff, was den von der hiesigen ungewohnten Kost schon etwas lädierten Magen tatsächlich aufräumte. Wir sahen einen domestizierten Affen, den Dorfmarkt und vieles mehr – und lernten Clara kennen, durch die wir einiges darüber erfuhren, wie das bitterarme Kambodscha versucht, seine Entwicklungsfähigkeit in der Welt nachzuweisen.

 

Eine junge Frau, die ganz ordentlich Englisch und Französisch sprach, suchte während des Spaziergangs den Kontakt vor allem zu den Touristinnen. »Ich heiße Clara«, begann sie das Gespräch und hatte damit vermutlich schon ihren Namen verwestlicht. Sie berichtete noch einiges mehr über sich, fragte aber auch den Partner aus, nicht ohne ihm dabei artige Komplimente zu machen. Sie pries die Schönheit der Frauen, auch wenn dafür kein besonderer Anlass bestand, lobte ihren Geschmack, sagte Freundliches über ihre Männer. Neben ihr trottete eine zweite, schweigsame Kambodschanerin, die einen Sack mit sich schleppte, in dem Seidentücher und anderes Handelsgut zu vermuten waren. Erst nach einer langen Wanderung, bei der Clara wenigstens ein halbes Dutzend Frauen angesprochen hatte, ging sie mit ihrer Begleiterin an die Spitze des Touristenzuges. Dann wurde der Sack geöffnet, und Clara bat die ihr inzwischen gut bekannten Frauen, doch etwas auszusuchen. Keine verweigerte sich nach dem angenehmen Gespräch und auch kaum eine verzichtete auf den Kauf. Clara hatte schließlich ein ziemlich perfektes Verkaufsgespräch geführt und brachte es nun zu einem erfolgreichen Ende. Auch Kambodscha – so haben wir gelernt – ist dabei, geschicktes Wirtschaften zu lernen.

 

Nach 130 Kilometern gemächlicher Fahrt erreichten wir am späten Nachmittag Kompong Cham, eine Provinzhauptstadt mit 180000 Einwohnern, nach Phnom Penh immerhin die zweitgrößte am Mekong. Als Handels- und Verwaltungszentrum wurde die Stadt auserkoren, als erste eine Straßenbrücke auch Stahlbeton über den Mekong zu erhalten, die »Spien Kizuna«. Sie wird vor allem von Autos benutzt, während ansonsten die Einwohner von Kompong Cham und Umgebung die seit jeher immer wieder neu über den Mekong geschlagene Bambusbrücke bevorzugen. Sowohl Pfeiler als auch Querbalken und die Fahrbahn bestehen ausschließlich aus Bambus, wodurch sie sich nur für Motorräder und Mopeds zum Befahren eignet. Dazu passieren sie natürlich Fußgänger und Radfahrer, obwohl auch sie Brückenzoll zahlen müssen – allerdings weniger als Ausländer, die das Betreten des schwankenden Bambussteges einen Dollar kostet.

Die Umgebung von Kompong Cham bietet einige interessante Sehenswürdigkeiten. Zum einen sind es die Zwillingshügel Phnom Pros (Hügel der Männer) und Phnom Srey (Hügel der Frauen), über deren Entstehung es eine hübsche Legende gibt, die – ähnlich wie Clara – von weiblicher Pfiffigkeit zeugt. Sie wurden nämlich in einem Wettbewerb zwischen Frauen und Männern aufgeschüttet. Nur nachts durfte gearbeitet werden, und schon bald waren die kräftigeren Männer im Vorteil. Da ersannen die Frauen eine List, zündeten in der Nacht helle Feuer an und ließen so die Männer glauben, es sei schon Tag und sie müssten die Arbeit einstellen. Dadurch konnten die Frauen am Ende den größeren Hügel vorzeigen; man muss immerhin 211 Stufen hinauf, kann dann aber eine schöne Aussicht genießen. Beide Hügel sind dem Buddha und seinen Jüngern gewidmet, Nachbildungen letzterer sind bereits für 50 Dollar zu erwerben.

 

Eine andere Sehenswürdigkeit ist Wat Nokor, ein Sandsteintempel aus der Angkor-Zeit, in dessen Ruine ein neuer Tempel in einer solchen Weise eingebaut wurde, dass eine harmonische Einheit entstand. Man gewinnt hier einen ersten Eindruck von dem, was uns in Angkor erwarten wird.

 

Nur kurz war die anschließende Schiffsfahrt nach Wat Han Chey. Diese Pagode erzählt mit Wandmalereien eine der vielen buddhistischen Geschichten; viel schöner ist jedoch der Landschaftsblick auf den sich weit verzweigenden, von Inselchen und Sandbänken durchsetzen Mekong. Entlang des jenseitigen Ufers verlief hier einst der legendäre Ho-Chi-Minh-Pfad, über den Nordvietnam den südvietnamesischen Widerstand gegen die USA mit Menschen und Material versorgte. Daher entlaubten die Amerikaner den Dschungel mit dem Pflanzengift Agent Orange; die kahlen Flächen sind noch heute zu sehen, sie werden aber allmählich mit Kautschukbäumen aufgeforstet.

 

Mit Phnom Han Chey haben wir den nördlichsten Punkt der Mekong-Tour erreicht. Danach wird der Fluss immer flacher und immer weniger schiffbar, hat er doch inzwischen viel Wasser durch die Trockenheit verloren. Deshalb war es uns auch nicht möglich, wie eigentlich beabsichtigt, bis nach Kratie, einer Provinzstadt mit 60 000 Einwohnern, weiterzufahren, von wo aus wir die Irrawady-Delphine besuchen wollten. Bei Kratie schwankt der Wasserstand des Mekong zwischen Trocken- und Regenzeit um bis zu 14 Metern. Wir mussten in Kompong Cham auf Busse umsteigen und fuhren über Land ins Luftlinie nur 70 km nördlich liegende, tatsächlich aber der Mekongarme wegen 228 km entfernte Kratie.

 

So dauerte die Fahrt länger als drei Stunden, war aber nicht uninteressant. Wir konnten den hiesigen Straßenverkehr beobachten, vor allem die Sammeltaxis, die so viele Passagiere mitnehmen, wie nicht nur ins Auto, sondern auch noch aufs Dach und die Trittbretter passen. Das Dach ist dadurch manchmal ähnlich überfüllt wie das Auto selbst, denn die Passagiere haben oft noch umfangreiches Gepäck bei sich. Die Fahrt größerer Menschengruppen auf LKW, bevorzugt oben auf der Ware oder auch dem Dach des Führerhauses, ist völlig normal. Es gibt auch von Motorrädern gezogene Sammeltaxis, wo auf einer Art Rampe die Passagiere mitfahren und auf Zuruf absteigen können. Auf Mopeds fahren nicht selten vier oder fünf Personen, kleine Kambodschaner zwar, aber es sieht dennoch gefährlich aus.

 

Die Strecke führte wegen des dünnen Straßennetzes nicht direkt nach Nordosten, wo Kratie liegt, sondern zunächst nach Südosten, wo wir Suong (ca. 30 km) passierten und kurz darauf nach links abbogen – in Richtung Chlong, das von Kompong Cham schon fast 200 km entfernt liegt. Dort erreichten wir den Mekong wieder und fuhren an seinem Ufer nach Kratie und von dort aus weiter zum Delphindorf Kampi. Etwa 150 km war die Straße asphaltiert, dann begann eine unbefestigte Piste aus rotem Vulkangestein, das sich – durch einen heftigen Regenguss in der Nacht – teilweise in eine matschige Rutschpiste verwandelt hatte. Mehrfach kam der Bus ins Schlingern, behielt aber am Ende doch die Spur. Einmal, als dem Fahrer die Straße zu riskant schien, bog er in ein Dorf ab und wählte eine Umleitung über die Dorfstraße, die zwar auch matschig war, aber nicht so tief durchweicht wie die Hauptstraße. Häufig passierten wir Brücken über Nebenarme und Kanäle des Mekong; sie waren in der Regel stählern und einspurig, mit ziemlichem Getöse fuhren wir darüber hin.

 

Wir erreichten Kampi, 15 km nördlich von Kratie, und verteilten uns auf einige Boote mit Außenbordmotoren, die schon auf die Touristen warteten. Bis zu zwei Kilometer breit ist hier der Mekong, von kleinen Inselchen und Sandbänken durchzogen, auf denen Sträucher und Büsche wachsen. Auch die Delphine warteten, denn noch während wir einstiegen, zeigten sich die ersten, streckten die Köpfe, vor allem aber den gebogenen Rücken, aus dem Wasser, manchmal reckten sie auch den Schwanz, aber immer verschwanden sie schnell wieder und ließen uns dann rätseln, wo sie wieder auftauchen würden. Spielereien um Boote herum waren nicht zu beobachten. Das erschwerte ziemlich die Beobachtung, mehr noch aber das Fotografieren und Filmen, denn ehe die Technik klar war, waren sie meist schon wieder unter der Wasseroberfläche. Zwar bemühten die Bootsführer nur selten ihre Motoren, ruderten vielmehr vorsichtig im relativ flachen Wasser zwischen den Sandbänken, aber die Delphine spielten immer wieder mit uns ihr Geduldsspiel. Am Ende jedoch hatten die meisten wenigstens das eine oder andere Bild geschossen, das sie als Abbild eines Irrawady-Delphins ausgeben konnten, und wir kehrten ans Ufer zurück. Zwischen den Sandbänken war der Fluss teilweise so flach, dass sich Schaumkämme bildeten; hier wagten einige ein Bad im Mekong.

 

Die Irrawady-Delphine werden zwei bis zweieinhalb Meter lang und erreichen ein Gewicht zwischen 100 und 200 Kilogramm. Sie leben von Fischen, Muscheln, Schnecken und anderem Seegetier und können 50 Jahre alt werden. Sie passen sich sowohl Süß- wie Salzwasser an und leben meist in kleinen Gruppen zusammen. Äußerlich unterscheiden sie sich von den uns bekannten Delphinen; vor allem ist ihre Schnauze flacher. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen Jahren stark dezimiert, weniger wegen der Jagd auf sie als wegen des Fischfangs mit Dynamit und starken Schleppnetzen, der Wasserverschmutzung und des Staudammbaus. Heute soll es nur noch zwischen 100 und 200 Tiere geben, die sich ab Kratie bis nach Laos hinein konzentrieren.

 

Das Udom Sambath Hotel in Kratie
Das Udom Sambath Hotel in Kratie

Vor der Rückfahrt aßen wir in Kraties erstem Haus, dem im alten Kolonialstil glänzenden »Udom Sambath Hotel«, das sich alle Mühe gab, den Gästen ihren gewohnten Standard zu bieten. Da die öffentlichen Toiletten dem offensichtlich nicht entsprachen, hatten sie ein Hotelzimmer im Parterre für die Touristen geöffnet. In dessen Bad konnte man seine Notdurft verrichten, aber auch die Dusche war benutzbar, und für weitere Hygienebedürfnisse lagen Seife, Zahnbürste nebst -paste, Kamm und Lappen bereit. Nur Handtücher fehlten. Dennoch: Ich bewohnte kurzzeitig Zimmer 104 besagten Hotels.

 

Der Rückweg gestaltete sich entspannter, denn inzwischen inzwischen waren die Pfützen weitgehend getrocknet. Wir konnten das kleinstädtische Leben rund um die Stelzenhäuser beobachten; man kann sich kaum vorstellen, dass in der Regenzeit alles, was sich unterhalb des eigentlichen Hauses befindet, samt Straße im Wasser verschwindet und Mobilität dann nur noch per Boot möglich ist.

 

Jetzt jedoch spielt sich das Leben auf den Straßen ab, nicht nur der motorisierte Verkehr. So wird Maniok, das als große Wurzel aus dem Boden kommt, gereinigt, zerkleinert und als Schnitzel anschließend wie ein beigefarbener Teppich am Straßenrand ausgebreitet, damit es trocknet. Nach zwei bis drei Tagen kommen die Lastwagen der Verarbeitungsfabrik, füllen das Maniok in Säcke, bezahlen die Bauern und transportieren das Ganze ab.

 

Auffällig waren an den Straßen die Schilder der politischen Parteien, vor allem der regierenden CPP mit den Köpfen ihres Führungstriumvirats: Senatspräsident, Ministerpräsident, Parlamentspräsident, was unser Reiseführer trocken mit den Worten kommentierte: »Rote-Khmer-General, Rote-Khmer-Offizier, Rote-Khmer-General.« Alle drei hatten sich allerdings vor dem Beginn der Pol-Pot-Massaker nach Vietnam abgesetzt und waren vier Jahre später als Sieger nach Kambodscha zurückgekehrt. Sie hielten sich trotz Zweifeln an ihrer Vergangenheit bis heute; bei den letzten Wahlen erreicht die CPP sogar mit weitem Abstand vor der Konkurrenz die absolute Mehrheit (90 Sitze). Die größte Oppositionspartei (26 Sitze) ist entsprechend geringer vertreten; sie zeigt auch keine Parteiführer im Bild, sondern eine brennende Kerze, offensichtlich will sie den Kambodschanern Erleuchtung bringen.

 

Will man die andere große Lebensader – oder gar das Herz – Kambodschas, den Tonle Sap bereisen, dann muss man von Kompong Cham nach Phnom Penh zurückkehren und dann in diesen »Nebenfluss« des Mekong einbiegen, der sich bald zu einem großen See erweitert, der beinahe bis nach Siem Reap vor den Toren der Angkor-Tempel reicht. Hier ist das Dorf Koh Chen das erste Ziel. Es gehört zum Silbergebiet von Udong, und man kann die Silberschmiede, die in der Regel in Heimarbeit tätig sind, dabei beobachten und natürlich etwas von ihren Kreationen kaufen, v. a. Döschen und Figuren, aber auch Armreifen, Ringe, Besteckteile wie silberne Essstäbchen u. a. mehr.

 

Fährt man weiter nach Kompong Tralach, dann wartet eine besondere Attraktion – eine Tour auf Ochsenkarren zu einem Kloster mit zugehörigem Tempel, einem Vihara. Als wir anlegten, standen die dürren Tiere bereits in langer Reihe vor ihren primitiven Holzkarren, auf denen über Reisstroh – für die verweichlichten Ausländer – Matten oder gar flache Polster ausgebreitet waren. Die Tiere erwiesen sich als gutmütig und kutschierten neben dem Fuhrswerkslenker (meist eine Lenkerin) bis zu zwei Touristen schicksalsergeben durch die Gegend. Man konnte auf dem Gefährt halbwegs bequem sitzen; allerdings entsprach die Federung nicht dem europäischen Standard selbst eines Kremserwagens. So schaukelten und holperten wir 30 Minuten lang durch ein ausgedehntes Straßendorf, konnten hinter den Häusern das satte Grün der Reisfelder bewundern und erreichten schließlich das Anwesen der Mönche, die sich jedoch in dieser heißen Mittagsstunde zur Ruhe gelegt hatten.

 

Ihre Pagode, die früher Wandermönchen als Zuflucht diente, ist mit alten Wandbildern ausgestaltet, denen die UNESCO hohen Rang zumisst. Doch zur Pol-Pot-Zeit diente sie als Salzlager, das Kristall hat sich überall in die Mauer gefressen und die Bilder weitgehend zerstört. Eine Restaurierung half nicht viel; das Salz sitzt in der Wand und bricht immer wieder durch.

 

Nahe des Klosters ein Friedhof, bestehend aus mehreren Stupas, in denen die Asche Verstorbener versenkt worden ist. Sie waren hier auch verbrannt worden, wovon eine Verbrennungsstätte zeugt.. Hierher transportiert die Familie des Toten in einem festgelegten Ritual den Sarg. Er wird angezündet, und wenn alles verbrannt ist, werden die Überreste, vor allem Knochen, Zähne usw. aufgesammelt, in Kokosmilch gewaschen, in eine Urne gelegt und zusammen mit Asche des Verstorbenen in der Stupa beigesetzt. Oft bleiben Knochenreste zurück, die dann der Nachfolger am Verbrennungsort entsorgt.

 

Unsere Motordschunke verbrachte die Nacht in Kompong Tralach, die sich schnell mit totaler Dunkelheit herabsenkte. Nur die Scheinwerfer warfen noch milchiges Licht auf die graue Wasserfläche des Tonle Sap; von Ferne zirpten Grillen, und man fühlte sich plötzlich in einer Szenerie, wie man sie nur aus einschlägigen Filmen zur ostasiatischen Geschichte kennt. Was dort aber oft aufdringlich, überzogen daher kommt, zeigte sich hier eingebettet in ein stimmiges Umfeld. Geräusche, Gerüche, die schwere Feuchtigkeit der Luft auch während der Nacht vereinigten sich mit dem Bild des träge dahinfließenden Flusses zu einem unvergesslichen Eindruck.

 

In der Frühe des nächsten Tages ging die Fahrt weiter. Jetzt, wo sich die Trockenzeit dem Ende zuneigte, floss das Wasser schon aus dem Fluss in den Mekong ab; später wird es zurückkehren, wenn der Mekong seine Wassermassen in den Tonle Sap hineindrückt und den See wieder füllt. Der Fluss ist hier relativ schmal, und man konnte das Treiben an Land und auf dem Wasser aus der Nähe betrachten. Fast überall am Ufer herrschte Geschäftigkeit. Meist steht oben die Hütte, natürlich auf Pfählen, und unten liegen eins oder mehrere Boote. Mitunter zeigen lange Bambusstangen daneben an, dass hier Meeresgetier gefangen oder auch gefüttert wird, um es für späteren Verkauf vorzubereiten. Manchmal sind die Netze zwischen ihnen etwas hochgehievt und werden geleert – ein stimmiges Bild in der weiten Wasserlandschaft. Gelegentlich liegt ein Lotosblumenfeld im Wasser. In der Regel führt auch eine Rohrleitung nach oben, verbunden mit einer einfachen Pumpe, die ihr Kühlwasser aus dem Tonle Sap entnimmt und gleich wieder an ihn abgibt. Mit den Nass bewässern die Bauern ihre oben liegenden Felder: Reis, Mais, Gemüse usw. Man sieht die Köpfe der Arbeitenden zwischen all dem Grün, das in der Hitze nur mühsam erhalten werden kann.

 

Leben aber ist auch auf dem Fluss. Uns begleiteten ständig Boote, andere nahmen am Ufer etwas auf, z. B. Holz (Äste, Stämme), das aus dem Hinterland herangeschafft wurde und auf den Booten kunstvoll verladen und als Brennmaterial zur heimischen Hütte transportiert wird. Manchmal sind die trockenen Bäume so ausladend, dass zum Transport zwei Boote zusammengebunden werden. Oder Gemüse, Melonen und andere Produkte ihrer Felder, die irgendwohin zum Verkauf geschafft werden. Andere sind mit Fischfang beschäftigt.. Sie stehen oft quer zur Flussrichtung und halten ihre Netze straff – in der Hoffnung wohl auch, dass unser großes Schiff viele Fische zu ihnen hin treibt. Man sah, wie vor den Hütten am Ufer, mitunter auch auf den größeren Booten, Essen zubereitet und genossen wurde. Im Wasser badeten Kinder und winkten dem Schiff zu.

 

Mittags trafen wir im Kompong Chnang ein, einer kleinen Hafenstadt unweit des Zu- bzw. Abflusses des Tonle-Sap-Sees. Hier stiegen wir in die typischen schmalen Fischerboote mit Außenbordmotor um und wurden an Land gebracht, wo wir ein Töpferdorf besuchten. Dort werden einfache Tongefäße für den Haushalt hergestellt, kaum Kunstgewerbe. Die Töpferei folgt der Tradition und benutzt nicht einmal eine Töpferscheibe. Stattdessen geht der Töpfer immer wieder um das entstehende Gefäß herum und bringt es so in einem langwierigen und auch schweißtreibenden Prozess allmählich in Form. Zwar sind den hiesigen Töpfern längst Töpferscheiben offeriert worden, aber vor allem die Älteren waren dafür nicht zu gewinnen; lediglich die Jugend zeigte sich aufgeschlossener – und folgt dennoch nicht selten der traditionellen Methode.

 

Hergestellt werden hier auch schamotteartige Einsätze für »Kochherde«, die eher einer Urform unserer modernen Grillöfen ähneln. Der runde, konisch zulaufende Tonkörper, der wie auch die Töpfe zunächst an der Sonne getrocknet und dann in Reisighaufen gebrannt wird, wird danach in ein Metallgehäuse eingelassen, wobei ein Zwischenraum zwischen den Wänden verbleibt. Hier hinein füllen die Töpfer mit Wasser zu einem festen Brei verarbeitete Asche als Dämmstoff. Nach der Austrocknung ist der »Kochherd« fertig – eine Institution aus Koblenz soll bei der Entwicklung dieses Produkts geholfen haben.

 

Außer mit Töpferei beschäftigen sich die Dorfbewohner auch mit der Zuckergewinnung aus Zuckerpalmen. Diese Bäume bilden männliche und weibliche Exemplare aus. Aus beider Fruchtständen lässt sich mit speziellen, selbstgefertigten Holzquetschen Saft pressen. Das Problem besteht darin, dass sich diese Fruchtstände weit oben in den Kronen der Zuckerpalmen befinden, so dass der Bauer mit einer Art Strickleiter hinaufsteigen, sich zwischen den Palmwedeln Platz verschaffen und dort dann den Saft in spezielle zylinderartige Gefäße aus Bambusrohr (oder mittlerweile alte Plasteflaschen) pressen muss. Damit kommt er nach unten, und nun wird der Saft in einer großen, wok-artigen Wanne stundenlang gerührt, bis – infolge der Hitze – die Flüssigkeit verdunstet und sich der Zucker als weiße Kruste absetzt. Anders als beim Töpfern erleichtert man sich allerdings das Rührern durch ein ebenfalls selbstgefertigtes Gerät, das durch Hin-und-Her-Ziehen einiger Fäden den daran befestigten Quirl bewegt. Die langwierige Prozedur kann durch einen Zusatzstoff abgekürzt werden; allerdings wird dann der Zucker nach einiger Zeit braun. Von diesem Produkt in allerdings erst sämiger Konsistenz konnten wir probieren; es schmeckte nicht allein süß, sondern hatte ein angenehmes Aroma, so dass es auch als eine Art Bonbon zu genießen wäre.

 

Wir kehrten zum Tonle Sap zurück, machten mit Fischerbooten noch eine Rundfahrt durch das schwimmende Dorf vom Kompong Chnang und konnten dabei nicht nur das abendliche Treiben auf den Hausbooten, sondern auch die Verkaufsformen auf den Handelsbooten beobachten. Man sah schwimmende Motor-Werkstätten ebenso wie Gemüselager, Kaufläden per Boot sogar mit einer Art Schaufenster, einen Schweinestall auf dem Wasser und vieles andere mehr.

 

In Koh Chan, direkt am Ufer des Tonle Sap, wo die armdicken Wurzeln und das üppige Blattwerk des Dschungel, vor allem aber allerlei fliegendes und kriechendes Getier zum Greifen nahe waren, so dass wir unsere Kabinentür sorgfältig verschlossen, verbrachten wir die nächste Nacht, ehe wir die Dschunke verließen und auf ein Tragflächenboot umstiegen, das uns über den Tonle-Sap-See bringen soll. Der See kann in der Trockenzeit wegen des niedrigen Wasserstandes mit großen Booten nicht befahren werden. Zunächst ist er noch relativ schmal, und man kann am Ufer die Pfahlbauten, Hausboote und Fischereianlagen erkennen. Fischfang ist am Tonle Sap das einträglichste Gewerbe, denn der See gilt als einer der fischreichsten der Welt. Später weitet er sich und wird stellenweise so breit, dass man seine Ufer nicht mehr erkennen kann.

 

Als unser Schnellboot in diesen Teil einfuhr, erlebten wir hautnah die Flachheit des Wassers. Plötzlich kam es ins Schlingern, stotterte; es hatte auf dem weichen, sandigen Boden Grund bekommen. Der Bootsführer manövrierte, um die Flachstrecke zu überwinden. Es gelang ihm erst nach mehreren Versuchen, dann hatte er wieder genügend Wasser unter dem Kiel, und wir konnten die Reise in gewohnter Geschwindigkeit fortsetzen. Damit hatten wir den breiten Teil des Sees erreicht; offensichtlich haben sich beim Übergang in ihn einige Sandbänke gebildet.

 

Als wir nach fast dreieinhalbstündiger Fahrt das andere Ende des Tonle Sap erreichten und durch einen schmalen Kanal lehmigen Wassers langsam zu unserem Anlegeplatz fuhren, standen rechts und links die Fischer mit ihren Netzen und hofften wohl nicht zu Unrecht, dass das Schnellboot ihnen Fische zutreibt. Manche standen bis zum Hals im Wasser, andere nur bis zu Hüften oder Knien, aber sie alle verhielten sich in gleicher Weise so, wie sie es der Natur abgeschaut haben.

 

Wir landeten schließlich an einem lehmigen Steilufer, von dem allerdings in der Regenzeit nichts zu sehen sein soll. Dann ist der Wasserspiegel des Tonle Sap bis zu 14 m höher als gegenwärtig; für die Fischer trotz der Wassermassen eine goldene Zeit, denn dann entfaltet sich der Fischreichtum erst so richtig. Noch besser allerdings wird es zum Ende der Regenzeit, wenn das Wasser des Tonle Sap wieder in den Mekong abfließt, aus dem er vorher einen Teil des des reichlichen Nasses aufnahm. Dann kann man hier die Fische oft mit Händen fangen, oder mit Wannen, Schaufeln oder ähnlichem einsammeln.

 

In Siem Reap ist man ganz nahe der alten Khmer-Kultur, die sich vor allem in der tausendjährigen Stadtanlage von Angkor ausdrückt. Einen Vorgeschmack darauf kann man bei einer Darbietung alter kambodschanischer Tänze bekommen, die Einblick in das traditionelle höfische Leben der Könige geben. In prächtigen Kostümen und mit einer erstaunlichen Körperbeherrschung stellen die Tänzerinnen und Tänzer alte Sagen der Khmer dar. Manches dabei erinnert an die Szenen der Peking-Oper. Daneben gibt es aber auch moderne Gruppentänze, die vom Leben der Fischer und Bauern in Kambodscha erzählen, es dabei freilich verklären – wie Kunst ja oft vor allem die schönen Seiten des Lebens zeigt, um dessen Härte erträglicher zu machen.