(pri) Wenn jemand wissen will, was eigentlich unter einem »Hornberger Schießen« zu verstehen ist, dann sollte er in diesen Tagen den hiesigen Umgang mit der NSA-Spionageaffäre verfolgen. Es klingt zwar derzeit – vor allem in jenen Medien, die sich im Sommer bereitwillig die regierungsamtliche Version der flächendeckenden USA-Überwachungspraxis hatten aufschwatzen lassen – nach gehörigem Donnerwetter, doch damit hat es sich denn auch.
In der Sache bleibt bestenfalls alles beim Alten, schlimmstenfalls werden weitere Grundrechte informationeller Selbstbestimmung abgebaut, denn im Grunde wollte nicht nur Erich Mielke alles über seine Mitbürger wissen, sondern will das auch jede der heutigen Regierungen – ungeachtet aller wortreichen Beschwörungen von Grundwerten und Menschenrechten. Deshalb die seit Jahren anhaltende Aufrüstung der technischen Überwachungssysteme weltweit. Deshalb zahlreiche intransparente Vereinbarungen zwischen NATO- und EU-Staaten über den Austausch von Daten über ihre Bürger. Deshalb die Weigerung, von den USA die Aufklärung und Beendigung ihrer Schnüffelei ohne Wenn und Aber zu verlangen; im Gegenteil wird die Überlassung von Bankdaten über die eigenen Staatsbürger an die Amerikaner entsprechend dem SWIFT-Abkommen ebenso fortgesetzt wie die Verhandlungen über ein Freihandessabkommen.
Und deshalb wird die derzeitige, mehr gespielte als ernst gemeinte Empörung schnell verebben. Vermutlich ähnlich wie vor einem Vierteljahr, als ein Minister nach Washington reiste, sich dort mit ein paar vagen Floskeln und – wie wir jetzt wissen – faustdicken Lügen beruhigen ließ und anschließend die Sache für erledigt erklärte. Die Merkel-Minister Pofalla und Friedrich jedenfalls, die die Spionageaffäre aus ideologischer Linientreue und wider besseres Wissen schlichtweg leugneten, dürften dadurch keinen Schaden nehmen, sondern bei der nächsten Kabinettsbildung wieder Verwendung finden – und sei es nur als Belohnung für ihre Standhaftigkeit mit Peinlichkeitsfaktor.
Denn schließlich misstraut nicht nur Barack Obama jedermann in der Welt, die Führer seiner engsten Verbündeten eingeschlossen. Sie alle misstrauen vor allem ihren Völkern, ihren Bürgern, und sehen dagegen – wie weiland Mielke – nur ein Mittel: alles über sie zu wissen. In einer Zeit, in der der Protest gegen volksfeindliche Politik auf allen Ebenen wächst, will man gewappnet sein.
Denn eine Erfahrung aus der DDR und dem dahingeschiedenen sozialistischen Lager machen nun auch die westlichen Staaten, von den USA bis zur Bundesrepublik: Je weiter sich ein Staat von seinen Bürgern entfernt, desto dringlicher wird für ihn, diese Bürger allumfassend auszuforschen, um rechtzeitig auf ihren Protest reagieren zu können. Dass dieser Protest, vielleicht langsam, aber stetig wächst, zeigen fast täglich Unruhen in Ländern, von denen man das noch vor einigen Jahren nie für möglich gehalten hätte – in diesen Tagen zum Beispiel in Portugal und Bulgarien, in jüngerer Vergangenheit in Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich, sogar Großbritannien und ein wenig selbst hierzulande. Solchen Protest rechtzeitig zu unterlaufen, entschlossen zu bekämpfen, für die Zukunft unmöglich zu machen – das ist der Sinn der flächendeckenden Überwachung, und deshalb sind alle Regierenden außerordentlich interessiert daran.
Auch übrigens die erst auf Regierungsämter hoffende SPD. Noch in der Opposition ein scharfer Kritiker der Überwachungspraxis, wählt sie bereits sorgsam ihre Worte und lässt sich Hintertürchen dafür offen, dass sie selbst darüber zu entscheiden haben könnte. Man erinnere sich: Die erste große Koalition beschloss unter Kiesinger und Brandt die Notstandsgesetze, die zweite brachte mit Otto Schily einen Innenminister hervor, der bereits lange vor seinem heutigen Nachfolger Friedrich »Law and order« zu so etwas wie einem »Super-Grundrecht« erklärte.
Dass das Handy der Bundeskanzlerin auch in solchen Datenstaubsauger geriet, ist natürlich ärgerlich, versteht sie aber gewiss, wie ihre verhaltende Reaktion signalisiert. Denn für einen global agierenden Staat wie die USA gibt es zudem eine Dringlichkeit, über die Stimmungslage in all jenen Ländern allumfassend informiert zu sein, die er zu seiner Einflusssphäre zählt, um Absetzbewegungen von der amerikanisch vorgegebenen Richtung rechtzeitig entgegenwirken zu können. Daher die Lauschangriffe auf die führenden Politiker der zunehmend als unzuverlässig empfundenen »Partner«. Daher aber auch die Speicherung aller nur erdenklichen Informationen über ihre Bürger – in der Hoffnung, sich dadurch prophylaktisch schützen zu können.
Weil dies so ist, geht der gegenwärtige Theaterdonner alsbald aus wie das Hornberger Schießen – nämlich ohne Folgen. Eher werden die Bemühungen zunehmen, die Überwachung noch zu intensivieren und ihre Kritiker und Entlarver – wie zum Beispiel Edward Snowden – allemal härter zu bestrafen als die Verursacher. Sie sind es, die Sand ins Getriebe der Überwachungsmaschinerie streuen und deshalb von den Überwachern zu Staatsfeinden erklärt werden. Auch das ein bekanntes Muster aus totalitären Staaten der Vergangenheit wie Gegenwart.
Aber solche Kritiker und Entlarver des flächendeckenden Überwachungswahns verdeutlichen auch, dass selbst gewaltige Überwachungssysteme am Ende machtlos sein können. Denn auch das ist eine Erfahrung aus der DDR und ihrem einstigen Bündnis: Wenn die Unzufriedenheit zu groß wird, hilft auch keine Geheimdienstinformation mehr. Die DDR-Staatssicherheit wusste im Herbst 1989 alles, was im Lande vor sich ging – und konnte es doch nicht stoppen. Und die USA erleben gerade, dass sich mit ihrem riesigen Überwachungsapparat nicht einmal in der Lage sind, ihre eigenen Geheimnisse vor Veröffentlichung zu schützen.
Die Kanzlerin als Opfer! Soll nun eine neue mediale Spielrunde des Personenkultes um Angela der Großen eröffnet werden? Das kann (wieder einmal) nur peinlich enden.
Die „mächtigste Frau der Welt“ verfügt nicht über ein abhörsicheres Netz: Das ist Blamage genug – für Deutschland!
„Freunde“ im weltweiten Machtspiel der Staaten hat es nie und wird es nie geben. Die Erfahrungen der DDR-Führung mit der „unverbrüchlichen Freundschaft zur Sowjetunion“ müßten Warnung genug gewesen sein. Andererseits hatten die USA die DDR wegen ihrer perfekt erscheinenden Abschottung bewundert. Der „Sicherheitsstandard“ eines Staates wird in Übersee als Qualitätskriterium bewertet und findet sogar im Länderranking Beachtung.
Frau Merkel war bis 1984 Mitglied der FDJ der DDR und ehrenamtliche Funktionärin in dieser „Kampfreserve“ der SED. Die FDJ war und ist aber in der Bundesrepublik Deutschland verboten!
Die Mitgliedschaft in einer derartigen kommunistischen Partei oder Organisation kann zur Überwachung durch deutsche und alliierte Geheimdienste führen. Das gilt für aktive und ehemalige (!) Angehörige derartiger Gruppierungen.
Die NSA hätte hier ihren „Anknüpfungspunkt“ (in technischer Auslegung des Wortes) gefunden …
Willy Brandt ist zurückgetreten als offenbar wurde, das in seinem nahen Umfeld ein DDR-Spion aktiv war. Ich vermute das Angela Merkel keine Sekunde lang einen solchen Schritt erwogen hat.
Das würde nicht mehr von Angela Merkel abhängen.
Die Kanzlerin steht jetzt in einem Minenfeld und rührt sich daher nicht. Ob Männer oder Frauen, die für amerikanische oder britische Geheimdienste im Kanzleramt tätig sind, zu ihrem engen Umfeld gehören, dürfte sie (eigentlich) nicht wissen …
Deutschlands „Muskelspiel“ hat die Vertragspartner in der NATO alarmiert.
Auch eine Kanzlerin mit (parteiunabhängiger) Popularität im Volk, kann zum Sicherheitsrisiko werden.
Bei Willy Brandt war das ebenso. Deshalb putschte ein Teil der SPD-Führung gegen ihn (in wessen Auftrag?). Günter Guillaume wurde damals bereits vom BND in „Reserve“ gehalten. Er war bereits seit einem Jahr enttarnt worden und mußte als „Anlaß“ für einen Kanzler-Rücktritt herhalten.