(pri) Das wütende prorussische Aufbegehren in der Ost-Ukraine kann wohl nur noch in Blut erstickt werden, und die nicht legitimierte Kiewer Regierung ist dazu mit wohlwollender Duldung ihrer westlichen Sponsoren auch bereit. Der undemokratische Akt ihrer gewaltsamen Installierung schlägt nun auf diese Putschregierung in gleicher Weise zurück; die Geister, die sie rief, gehen nun – in anderem Gewand – gegen sie selbst vor.
Es war nicht Putinsches Teufelswerk, das einen wachsenden Teil der ostukrainischen Bevölkerung von der Hauptstadt Kiew entfremdete, auch wenn uns das täglich neue Verschwörungstheorien westlicher Politiker und ihrer medialen Lohnschreiber glauben machen wollen. Es waren vielmehr die in Gewalt kulminierenden Geschehnisse um den Maidan, durch die erst die legitime Regierung gestürzt und dann eine Hasskampagne gegen alles Russischstämmige entfesselt wurde, ohne auch nur eine einzige überzeugende Idee für die Lösung der gravierenden ökonomischen Probleme des Landes vorzulegen und stattdessen – wie schon alle ukrainischen Regierungen zuvor – unter die Rockschöße milliardenschwerer Oligarchen zu kriechen; es war dieses totale Versagen der Putschadministration, das die Kluft zum ukrainischen Osten vertiefte und es russischen Nationalisten beiderseits der Grenze leicht machte, sie Stimmung im eigenen Sinne zu beeinflussen.
Zwar ist eine Annäherung an Russland keineswegs das Herzensanliegen einer großen Mehrheit der Ost-Ukrainer, aber die Ordnung und Stabilität einschließlich des sozialen Standards beim Nachbarn wünscht man sich schon herbei und lässt jene gewähren, die dies fordern und – ganz im Gegensatz zu den westukrainischen Amtsträgern – mit Entschlossenheit herzustellen versprechen. Die auf Russland setzenden Bevölkerungsteile in der Ost-Ukraine sind gewiss in der Minderheit – so wie auch die Aktivisten des Maidan, landesweit gesehen, in der Minderheit waren -, aber während die Kiewer Akteure eine dem Osten fremde, weil ihm feindlich gesinnte Minderheit waren und zunehmend sind, werden die undefinierbaren Uniformträger in Donezk, Charkow, Lugansk, usw. als vertraute Minderheit angesehen, weil sie ähnlich denkt, um sie wirbt, Ruhe und Ordnung verspricht. Und mancher, der genug hat von der Herrschaft wechselnder Oligarchen und dadurch bedingter bleierner Unveränderlichkeit der Verhältnisse, mag sich auch nach einem autoritären Führer sehnen, der diese Oligarchen nur nach seinen Regeln agieren lässt und zum Beispiel darauf achtet, dass der Rest der Gesellschaft von ihnen nicht völlig ignoriert wird.
Dass Russland diese Entwicklung zugute kommt, steht außer Frage, und nicht wenige dort sind durchaus an der Zuspitzung der Situation in der Ost-Ukraine interessiert; ob Putin auch dazu gehört, ist schon eine ganz andere Frage. Doch die Eskalation hätte von Kiew aus verhindert werden können, indem man die wortreich proklamierte »Einheit des Landes« praktiziert hätte, statt Zweifel und Misstrauen zu säen, die durch Drohungen und Gewaltphantasien nur weiter anwachsen, zusätzlich angefeuert durch abenteuerliche Reden und Taten seitens der USA, der NATO und der EU. So hat sich eine Dynamik entwickelt, die man aus anderen Umsturzszenarien hinreichend kennt und die von einem bestimmten Punkt an nicht mehr zu stoppen ist, es sei denn durch blutige Gewalt. Doch eine solche »chinesische Lösung« unter Einsatz von Militär und der vor allem aus dem neofaschistischen »rechten Sektor« rekrutierten »Nationalgarde« wird das Land erst recht in eine tiefe Krise stürzen, zu einem dauerhaften Unruheherd in Europa – wie etwa Nordirland oder das Kosovo – machen.
Denn auch Wladimir Putin hat die Entwicklung in der Ost-Ukraine längst nicht mehr unter Kontrolle, ist in diesem Sinne der zweite Zauberlehrling, der auf der Krim Geister reif, die schwer wieder loszuwerden sind. Die nationalistische Welle in der Ost-Ukraine und in Russland hat ebenfalls bereits eine Eigendynamik entfaltet, auf die auch der russische Präsident Rücksicht nehmen muss. Seine Sorge über die zunehmenden Hilferufe aus der Ukraine, vom Westen sofort zur Drohung uminterpretiert, dürfte echt sein, denn natürlich wäre eine direkter militärischer Einsatz russischer Truppen auf ukrainischem Gebiet ähnlich verheerend wie das gewaltsame Kiewer Vorgehen. Möglicherweise will Kiew eine solche Entwicklung gerade deswegen provozieren, dadurch auch den fahrlässig agierenden Westen in Zugzwang bringen. Moskau reagierte darauf mit der Zustimmung zu Gesprächen auch unter Einschluss der bisher abgelehnten Putschregierung, was nicht überall im Land Zustimmung findet. Auch Putin laviert derzeit, wenngleich er natürlich insgesamt die besseren Karten hat.
Eine Lösung kann nur in der weitgehenden Akzeptierung der Wünsche und Hoffnungen der Menschen im Osten bestehen, in Autonomie und Selbstbestimmung innerhalb eines Staatsverbandes, der ihnen auch in Kiew angemessene Mitwirkung erlaubt. Es wäre jene Brücke zwischen einem westlich geprägten Europa und der euro-asiatischen Macht Russland, die viel zu einem normalen Verhältnis dieser so unterschiedlichen Größen beitragen kann. Gerade Putin hat diesbezüglich in der Vergangenheit immer wieder Angebote unterbreitet, die der Westen jedoch stets ablehnte, zumindest aber ignorierte. Jetzt ist er mit seinem nach Osten ausgreifenden Expansionskurs zwar gescheitert, aufgegeben hat er ihn aber noch lange nicht. Deshalb ist eine baldige Lösung der Ukraine-Krise nicht in Sicht – mit allen sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten.
Der Katzenjammer im Westen ist groß: Der Ukraine-Deal ist geplatzt!
Die Heimholung nach EU-Europa hatte bereits in der Vorbereitung (seit 2004) Milliarden an US-Dollar und Euro verschlungen. Nun ist die Ukraine als eine wirtschaftliche und politische Staatsruine übrig geblieben, deren Reanimierungsaufwand noch Griechenland in den Schatten stellen würde.
NATO und EU müssen ihre eigene Schwäche eingestehen, ohne die direkte Einmischung ihres transatlantischen „Übervaters“ USA bleiben sie eben nur „Pappkameraden“.
Die rasante gesellschaftliche Talfahrt der Ukraine – nach Selbstauflösung der Sowjetunion – konnte bis heute nicht aufgehalten werden.
Selbst die eigene Armee muß gegenwärtig mit US-amerikanischen Verpflegungsrationen aufrecht – nicht kampffähig – gehalten werden. Im Osten und Südosten der Ukraine ist die „Kampfkraft“ sichtbar in der Waffenstreckung der Polizei – und nun auch der Armee – vor den Separatisten mit dem schwarz-orangenem Georgsband im Knopfloch.
Der Kiewer Putschregierung bleiben die eiligst geschaffene „Nationalgarde“ und Teile von Polizei und Armee bis zu den Wahlen im Mai erhalten.
Selbst die Verhängung des Ausnahmezustandes ist nicht mehr möglich. Es fehlen die loyalen Kräfte zur Durchsetzung der Maßnahmen vor Ort.
Putin hat jetzt viel Zeit gewonnen. Die bewaffneten Separatisten kann er (auch) nicht entwaffnen. Das wäre eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine.
„Hilfestellung“ wäre nur möglich durch russische „Blauhelme“: Dann hätten wir die (für Rußland günstige) Ausgangslage wie vor dem Georgienkrieg im August 2008. Wie der ausgegangen ist, dürfte noch in Erinnerung sein …