(pri) Für Angela Merkel mag es eine willkommene Ablenkung vom gerade jetzt sehr ärgerlichen Regierungsgeschäft gewesen sein, als sie »unseren Jungs« in der Schweißluft der Stadionkabine von Rio zum Weltmeistertitel gratulieren und einen nach dem anderen inbrünstig umarmen konnte. Aber der Prestigegewinn auf einem unwichtigen Nebenschauplatz kann den dramatischen Bedeutungsverlust deutscher Außenpolitik ungeachtet verzweifelter Bemühungen des zuständigen Ressortchefs, einen anderen Eindruck zu erwecken, nicht verdecken.
Am deutlichsten wird dies in der herablassenden Reaktion der USA auf die zaghafte Kritik der Bundesregierung an der »flächendeckenden Aufklärung« (ein von Stasi-Chef Erich Mielke geprägter Terminus) der Bundesrepublik durch US-amerikanische Geheimdienste. Nicht nur der NSA saugt beinahe lückenlos den gesamten hiesigen elektronischen Datenverkehr einschließlich der Telefongespräche der Kanzlerin ab; auch »klassische« Spione werden in noch unbekannter Zahl auf deutsche Zielpersonen angesetzt. Und als die Bundesregierung wenigstens als kleinen symbolischen Schreckschuss den Koordinator solcher Agententätigkeit in der US-Botschaft zum Verlassen des »Gastlandes« auffordert, ignoriert Washington dies erst einmal, tanzt also dem vorgeblichen Verbündeten auf der Nase herum, und der Präsident greift nach längerer Funkstille nur zum Telefon, um sich bei Angela Merkel vor allem über die Unbotmäßigkeit des Mäusleins gegenüber dem Elefanten zu beklagen.
Und dennoch ist der höhnische Umgang der USA mit der Bundesregierung nur äußerer Ausdruck des miserablen »Ratings« der Bundesrepublik in der internationalen Sphäre. Sie ist zwar ein ökonomischer Riese und spielt diese Potenz in der EU auch trickreich gegen die schwächeren europäischen »Partner« aus, doch wirklicher Einfluss auf die Geschicke der Welt ergibt sich daraus nicht. Brav folgt sie den politischen Vorgaben aus Washington, der Brüsseler NATO-Zentrale und von allerlei ideologisch geprägten Hardlinern da und dort und nennt solche Unterwerfung beschönigend Bündnistreue. Wenn auch vielleicht manchmal mit Bauchschmerzen, so handelt Berlin am Ende doch nicht nach einem eigenem Fahrplan, sondern stets im Interesse anderer, oft jener, die für jeden der gegenwärtigen blutigen Konflikte – von Afghanistan über Syrien, Libyen, Palästina bis hin zur Ukraine – die Verantwortung tragen. Und die gegenwärtige, von Gauck, von der Leyen und Steinmeier angestoßene Diskussion über mehr deutsches Engagement bei internationalen Konflikten soll daran nicht etwa etwas ändern, sondern ist nichts anderes als die intensivierte Fortsetzung solcher Unterwerfung unter andere Interessen.
Vor diesem Hintergrund ist auch unbeträchtlich, ob die umfängliche Reisediplomatie Frank-Walter Steinmeiers den Versuch darstellt, der von Obama zwar nicht in Worten, aber in der Sache fortgesetzten Politik George W. Bushs eine andere, gewissermaßen diplomatische »Philosophie« entgegenzusetzen oder aber nur als Alibi für die konfliktscheue deutsche Bevölkerung dient. Selbst wenn ersteres zuträfe, war es bislang total wirkungslos. Besonders deutlich zeigt das die Ukraine. Erst wurde die auch von ihm ausgehandelte Vereinbarung mit Janukowitsch auf US-amerikanisches Betreiben von rechtsextremen Hardlinern vom Tisch gefegt, jetzt torpediert der neue ukrainische Präsident von Merkel und Steinmeier befürwortete Gespräche mit den prorussischen Ostukrainern. Und die Bundesrepublik stimmt devot neuen Sanktionen gegen Russland zu, während Poroschenko ungestraft einen brutalen Krieg gegen die prorussische Bevölkerungsmehrheit im Osten der Ukraine führen darf.
Ähnlich folgenlos bleiben seine Reisen in den Nahen Osten, was nicht verwundert, denn gerade die Bundesrepublik versteht sich als besonders enger Verbündeter Israels und ist deshalb als ausgleichende Kraft völlig unglaubwürdig. Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
Brot und Spiele – diese schon aus der Antike bekannte Herrschaftstechnik ist nicht aus der Mode gekommen und heute vielleicht mit ökonomischer Stärke und Sportspektakel zu übersetzen. Da freilich erweist sich die Bundesrepublik tatsächlich als Weltmeister. Gerade erst wurden Mütterrente und Mindestlohn beschlossen, nicht gerade reichlich Brot, aber immerhin. Und die Fußballer bescherten den ultimativen sportlichen Erfolg, hinter dem sich zumindest zeitweise das so dröge wie frustrierende politische Geschäft verbergen ließ. Und man sich fühlen konnte wie ein »Brot-und-Spiele«-Weltmeister, aber auch nicht mehr.
Die NSA-Affäre läßt Deutschland politisch „nackt“ dastehen. Es ist wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.
Die „mächtigste Frau der Welt“ (nach dem Forbes-Magazin) im „reichsten Staat Europas“ (nach EWF-Ranking) hat keine bestaunenswerten Kleider mehr!
Angela die Große trägt es mit Fassung. Gehört sie doch zu den wenigen Deutschen, welche die wirklichen (!) Machtstrukturen dieser Welt kennenlernen durfte. Für sie sind diese „Enthüllungen“ nicht neu – traurig nur, das die nun bekannt geworden sind.
Deutschland, der Wirtschafts-Riese bleibt ein politisch (erwünschter) Zwerg.
Zur Bekräftigung dieser Tatsache stehen Streitkräfte in Deutschland, die zu den schlagkräftigten von Heer und Luftwaffe der USA zählen.
Zum Trost bleibt uns Normal-Bürgern der „Fußball-Patriotismus“ erhalten. Fußball ist immer mit Bier und Würstchen verbunden – der Hauptnahrung der Deutschen. Das verspricht eine nachhaltige Wirkung!