(pri) Damit hatte man wohl in Europa im allgemeinen und in der EU-Kommission im besonderen nicht gerechnet – dass in dem Maße, wie die Institution Europäische Union immer mehr Kompetenzen auf sich zieht, die alten Nationalstaaten entbehrlich werden. Immer stärker spüren die Europäer, dass mit der EU eine neue Obrigkeit entsteht, und lange konzentrierte sich der Widerstand des allzu vieler Einmischung in sein Leben abholden Bürgers auf die Brüsseler Behörde, was diese jedoch keineswegs an ständig weiterer Entfaltung hinderte. Diese beförderten die EU-Mitgliedsstaaten durch diverse Abkommen und gruben sich damit selbst das Wasser ab, was die meisten von ihnen aber erst jetzt verdutzt zur Kenntnis nehmen.
Großbritannien jedoch hatte diese Gefahr frühzeitig erkannt und sich auch deshalb zu einem ausgewiesenen EU-Kritiker entwickelt; dennoch fast schon zu spät. Denn viele Schotten hatten ihrerseits die Chance gewittert, der jahrhundertelangen englischen Vormundschaft zu entgehen und im großen europäischen Verbund die eigenen regionalen Belange besser zur Geltung bringen zu können.
Damit sind die Schotten in Europa nicht allein. Auch andere Regionen sind der Doppelherrschaft durch nationalstaatliche und zusätzlich europäische Autoritäten überdrüssig und erhoffen sich unter dem weiten europäischen Dach mehr Freiheiten als im derzeitigen Staatenverbund: Katalonien, Flandern, Südtirol und wohl noch andere, die das noch nicht so offen artikulieren. Selbst der Kiewer Maidan dürfte anfangs aus solch verständlichem Emanzipationsstreben entstanden sein, ohne freilich zu realisieren, dass ein ähnliches Emanzipationsstreben im Osten des Landes andere Wege gehen wollte. Die Lösung dieses Konflikts erfolgt derzeit in der typisch grobschlächtigen Weise, die die ukrainische Politik seit jeher charakterisiert und die deren westliche Unterstützer den separatistischen Bewegungen im eigenen Machtbereich – zu Recht – niemals gestatten würden.
Auch wenn Großbritannien dem Zerfall noch einmal knapp entgangen ist, dürfte sich die Erosion der Doppelherrschaft in den EU-Staaten fortsetzen, und zwar in dem Maße, wie die europäischen Institutionen weiter an Gewicht gewinnen. Eine logische Entwicklung, die allerdings von den doch so weitsichtigen Politikern nicht vorausgesehen und erst recht nicht gewünscht wurde.
Die jahrelange Mißwirtschaft in der Europäischen Union hat zahlreiche Mitgliedsstaaten an den Rand des Ruins gebracht. Es ist sowohl eine Nord-Süd-Teilung entstanden, als auch eine West-Ost-Spaltung des Kontinents.
Mit der (permanenten) Bankenrettung durch die Steuerzahler wird die Glut des Unmutes geschürt. Selbst der „Profiteur“ Deutschland wird seine Überproduktion an Waren nicht mehr los, weil die Abnehmerländer sich nicht noch weiter verschulden wollen (und können).
Die Renationalisierung Europas steht auf der Tagesordnung.
Selbst die Nationalstaaten fürchten um ihren Bestand, da sie selber oft aus „einverleibten“ Regionen bestehen.
Schottland war also lediglich die „Auftaktveranstaltung“ zu einem „Europa der Regionen“ – und wie bei jeder guten Premiere „muß“ die Generalprobe mißlingen.
Die Völker fordern immer mehr direkte Demokratie und moderne (technische) Mittel zum Mitspracherecht. Der Einfluß der Demokratie-„Vertreter“ schwindet immer mehr. Beweis dafür sind die geringen Wahlbeteiligungen bei den „Vertreter“-Wahlen für die „Volks“-Parteien.
Gerade der technische Fortschritt ermöglicht die Existenz kleinerer Verwaltungseinheiten. EU-Europa mit seiner schwerfälligen „Zentralverwaltung“ ist schon aus diesem Grunde überholt.
Entscheidungen müssen heute schnell erfolgen, um effektiv wirken zu können.
Das Militär – das immer den technischen Fortschritt verkörpert – hat darauf schon lange reagiert: flexible Brigade-Strukturen haben die weltkriegsüblichen Divisions-Ungetüme abgelöst und damit die potentielle Kampfkraft den Bedingungen der Gegenwart angepaßt.