(pri) Man kann gegen Alexander Dobrindt manches vorbringen, nicht aber, dass dem einstigen CSU-Generalsekretär und jetzigem Bundesverkehrsminister der Instinkt für gesellschaftliche Stimmungsänderungen fehle. Im Gegenteil; besser als viele sonst haben er und andere in den Unionsparteien erkannt, dass es sich bei Pegida zwar auch, aber eben nicht nur um eine rassistische Aufwallung handelt, sondern zugleich um eine Protestbewegung sehr vielfältiger Art, die ihren Unmut auch über die ständige Umverteilung von unten nach oben, die Anhäufung von immer mehr Reichtum dort, wo er schon ist, über soziale Ungerechtigkeit und mangelnde demokratische Mitsprachemöglichkeiten zum Ausdruck bringt. Also über Fehlentwicklungen, die Dobrindt freilich in seinem Sinne ausdeutet, als »eine Uminterpretation des Leistungsgedankens, eine Verfälschung des Eigentumsbegriffs und einer einseitigen Gerechtigkeitsdiskussion«.
Nicht wegen ihrer »Angst vor ungebremster Zuwanderung« fürchten er und andere in CDU und CSU die Pegida-Demonstranten; da sind sie sich mit ihnen weitgehend einig und bereits dabei, deren Forderungen nach Ausgrenzung und Abschiebung entgegenzukommen. Sie fürchten gerade die anderen Aspekte des heterogenen Protestes, der seine Mobilisierungsform fatalerweise in einer dumpfen Ausländerfeindlichkeit gefunden hat, die weder unter politischem noch humanitärem Aspekt zu akzeptieren ist und die eigentlichen Probleme nicht löst, die die Menschen umtreiben.
Wie sehr die Dobrindt und Co. sich um das Bewusstwerden dieser tiefer liegenden Ursachen gesellschaftlicher Unruhe sorgen, zeigt des CSU-Mannes Verweis auf die aktuelle Entwicklung in Thüringen: »Dass ein Linkskommunist in Thüringen Ministerpräsident geworden ist, hat für Deutschlands Zukunft jedenfalls mehr Bedeutung als die Dresdner Pegida-Demonstranten.« Dort war der Unmut über die Politik der CDU-geführten Landesregierung ähnlich groß wie in Sachsen, aber er brach sich nicht in ausländerfeindlichen Demonstrationen Bahn, sondern in einem Regierungswechsel. Die Entscheidung für eine rot-rot-grüne Koalition in Erfurt hat zumindest Hoffnungen geweckt, dass manche der bestehenden Probleme jetzt in anderer Weise angegangen werden als zuvor. Ein schärferes Vorgehen gegen Asylbewerber gehört ausdrücklich nicht dazu, sondern das Land ist eines der wenigen in Deutschland, die in den Wintermonaten Abschiebungen aussetzen, und in Thüringen wird das offensichtlich weitgehend akzeptiert.
Auch in anderen ostdeutschen Ländern gibt es eine der sächsischen vergleichbare Protestwelle nicht. In ihnen regieren entweder auch – wie in Brandenburg – Sozialdemokraten und Linke, oder aber es besteht – wie in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern – die Hoffnung, bei künftigen Wahlen eine ähnliche parlamentarische Machtverschiebung wie in Thüringen herbeiführen zu können. Insofern ist Pegida trotz aller Versuche, weitere Ableger anderswo zu etablieren, kein ostdeutsches, sondern ein vor allem sächsisches Problem und hat mit der 25-jährigen Dominanz der CDU-Politik in diesem Bundesland zu tun, die bei den jüngsten Wahlen für weitere Jahre zementiert wurde. Eine Linksentwicklung ist dort nicht zu erwarten; der Profiteur dieser Situation ist die AfD, eine Abspaltung der Union. Die sächsische CDU will, wie das inkonsequente Taktieren ihres Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich zeigt, im Wettlauf mit der AfD auf die ausländerfeindlichen Forderungen der Pegida eingehen und zugleich ihre anderen Anliegen zu ignorieren.
Genau diese Linie verfolgt auch die bayerische CSU. Sie weiß, dass die Ausländerfeindlichkeit auch bei vielen ihrer Wähler große Zustimmung findet; nicht zuletzt deshalb tritt sie immer wieder mit entsprechenden populistischen Parolen hervor. Nicht der fremdenfeindliche Impetus schreckt sie an Pegida, sondern sie will die anti-linken Abwehrreflexe gegen darüber hinausgehende Forderungen mobilisieren, weil es ja – so Dobrindt – um eine Richtungsentscheidung für 2017 im Bund gehe, »nämlich ob wir zur linken Republik werden mit Rot-Rot-Grün, oder ob die Union die Kraft findet, eine eigene Mehrheit zu haben«.
Viel besser als viele Linke, die sich mit der Heterogenität der Pegida-Bewegung schwer tun, reflexartig allein auf ihre offenkundigen negativen Aspekte reagieren und es darüber versäumen, tiefer auszuloten, wie und warum es rechten Kräften gelang, Unzufriedenheit und Defizite, die auch Linke seit langem benennen, in ihrem Sinne zu kanalisieren und damit Tausende auf die Straße zu bringen. Und sie versäumen es wohl auch, die rechten Organisatoren zu neutralisieren, indem sie berechtigte Forderungen der Demonstranten aufgreifen, dafür ihre Lösungen und damit eine Alternative zum Rechtspopulismus anbieten. Eine pauschale Verteufelung von Tausenden Demonstranten schweißt diese nur zusammen und lässt sie möglicherweise künftig auch an der Wahlurne ihr Heil bei rechten Parteien suchen.
PEGIDA muß einfach für unsere „bleiernde“ Demokratie der Aufreger sein!
„Demokratie wird nicht auf der Straße gemacht!“ rufen nun die Etablierten voller Empörung. Müssen jetzt die DDR-Bürgerrechtler von 1989/90 mit einer „postumen Abmahnung“ rechnen?
Nicht wenige von denen gegen ja nun wieder bei PEGIDA „spazieren.“ In der Frühsendung des Deutschlandfunk vom 10.01.2015 kam ein Herr Martin Lenkheit zu Wort, der 1989 einer der ersten Bürgerrechtler in Dresden war.
Herr Lenkheit ist nun für PEGIDA erneut auf der Straße. Warum wohl?
Die wieder gefühlte Bevormundung von „oben“ treibt die kritischen Bürger erneut auf die Straßen und Plätze. Das hat natürlich viel mit der Monopolstellung der CDU im öffentlichen Leben unseres Staates zu tun. Diese wurde wesentlich zementiert durch die mediale Inszenierung der Mär um Angela Merkel als die „deutsche Super-Kanzlerin“, die über allen steht und alles kann. Mich erinnert das an Walter Ulbricht der 1960er Jahre.
Die erreichte Vormachtstellung der CDU bröckelt zwar stark auf der Länderebene, bleibt im Bund jedoch „ein` feste Burg.“ Die einschläfernden Bundestags-„Debatten“ der Gegenwart legen dafür sicht- und hörbares Zeugnis ab. Mit diesem Zustand der Demokratie können sich immer weniger Bürger abfinden!
Die PEGIDA-Organisatoren mußten (!) hier den kleinsten, gemeinsamen Nenner für die Ordnung diese „Eruption der Gefühle“ finden. Die chaotische Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland bot sich dafür direkt an.
Daraus nun eine „braune Bewegung“ abzuleiten, stellt eine (primitive) Beschimpfung und Beleidigung der teilnehmenden Bürger dar. Dieses ist den Volksvertretern sogar verboten! Es sei denn, diese Wertung wird als „persönliche Meinung“ ausdrücklich deklariert. Doch mit der Kenntnis von Gesetzesinhalten taten sich unsere „Repräsentanten“ schon immer schwer. Auch ein Zeichen des realen Demokratieabbaues in Deutschland!
Der „rote“ Ministerpräsident von Thüringen wird daran auch nichts ändern können. Seine parlamentarische Position ist schwach und bietet keinen Spielraum für grundlegende Reformen im Land.
DIE LINKE sollte mit ihren politischen „Schulterschlüssen“ nicht auch noch den Kontakt zum Volk verlieren. Direktmandate hat diese Partei kaum noch vorzuweisen und als reiner „Mehrheitsbeschaffer“ droht ihr das Schicksal der FDP.