(pri) Lang und breit echauffierten sich unlängst die Medien darüber, dass im Regierungsflieger nach Kanada Politiker wie Journalisten keine Masken trugen, und übersahen dabei geflissentlich den eigentlichen Skandal – das traute Zusammensein der politischen Prominenz mit der sich so überzeugt als unabhängig und unbestechlich gerierenden Journaille, die Einbettung dieser so genannten »vierten Gewalt« in die Himmelbetten der Macht. Glaubt noch jemand, dass nach solch vertraulichen Tête-à-tête eine eigenständige, distanzierte, gar kritische Berichterstattung zu erwarten ist?
Damit soll keine Urteil über die vielen Journalisten gesprochen werden, die genau einem solchen Credo folgen und Tag für Tag daran arbeiten, das Geschehen um sie herum einschließlich des Handelns von Staat und Regierung sorgfältig zu beobachten, unbestechlich zu bewerten und ungeschminkt unter die Öffentlichkeit zu bringen. Das aber wird ihnen offensichtlich immer schwerer gemacht; sie müssen damit rechnen, ausgebremst, gar sanktioniert zu werden – und dies offenbar vor allem in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ÖRR), die als Radio und Fernsehen über beträchtlichen Einfluss auf die Meinungsbildung verfügen.
Konnte man den Skandal um den RBB noch als Einzelfall einer luxusverliebten Intendantin abtun, führen die Berichte aus dem NDR schon eher ins Zentrum der Problematik, geht es hier doch um die eigentliche Aufgabe der Medien und ihre Prostituierung durch eine Management, das nicht den Hörer oder Zuschauer als Auftraggeber ansieht, sondern der Ebene der Macht zu Gefallen sein will. »„Politischer Filter“, „Klima der Angst“: NDR-Redakteure erheben laut vertraulichem Untersuchungsbericht schwere Vorwürfe gegen Senderleitung« – so titelte das digitale Wirtschaftsmagazin »Business Insider« unlängst und schilderte ausführlich die Arbeitsweise des NDR Schleswig-Holstein bei der Berichterstattung über delikate Angelegenheit der Landespolitik.
Es lohnt sich, bevorstehenden Link anzuklicken und den Vorgang im Original nachzulesen. Er wurde zwar in der Presse teils ausführlich zitiert, doch die ÖRR hielten sich entgegen ihrem Auftrag vornehm zurück – so als fürchteten sie, bald selbst in den Fokus zu geraten. Denn das, was aus dem NDR bekannt wurde, ist offensichtlich manchem Mitarbeiter auch anderer Sender vertraut.
Die »Berliner Zeitung« berichtete vom Anruf eines NDR-Redakteurs und schrieb wörtlich: »Er beklagt wie viele seit Jahren, dass in den Sendern die journalistische Arbeit von politischen Interessen beeinträchtigt wird. Auch beim RBB, dem WDR und dem Deutschlandfunk bestätigen Journalisten, dass massiv Einfluss auf die Berichterstattung ausgeübt werde. Eine Journalistin berichtet von einer Dokumentation für das ZDF und Arte, die so massiv umgearbeitet wurde, dass die angestrebte Neutralität gänzlich verschwunden und der Film zu einer „Propaganda-Show“ umgestaltet war. Der Autor zog am Ende entnervt seinen Namen zurück, weil „seine journalistische Arbeit zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist“. Er hatte fast zwei Jahre lang an dem Film gearbeitet. Die Berliner Zeitung kennt beide Fassungen des Films.«
Damit bestätigt sich, was kürzlich an dieser Stelle über »Medien als Machtinstrument« aufgeschrieben worden ist, an einem ganz aktuellen Beispiel – und sicher gibt es noch viele andere, die der Aufklärung und Publikation harren. Es ist höchste Zeit für eine umfassende Debatte über die Medien. ihr Selbstverständnis und ihre Rolle in der Gesellschaft.