Rudolf Hempel †

Eine traurige Nachricht ist mitzuteilen. Rudolf Hempels Stimme im blogsgesang ist unfreiwillig verstummt.

Er war von Leib und Seele Journalist, durchschritt die Höhen und Tiefen dieses Berufs. 1980 zog er eine erste ungeschminkte Bilanz:

Mein Start in die Gilde der Halbwahrheitenverbreiter war mit einer im Gegensatz zur Fakultätserkenntnis über langfristige marxistisch-leninistische Kaderpolitik stehenden Lebenserkenntnis verbunden: Bereits am 28. August 1965 um 13:30 Uhr wusste ich, wo ich am 1. September 1965 um 07:45 Uhr zu arbeiten anfangen sollte. Ich fing an. Als vierter Mann in der „Saale-Rundschau“ Jena, einer der gerade neu entstandenen Heimatzeitungen. Akuter Kadermangel war im Februar 1966 die Grundlage meines ersten Arbeitsplatzwechsels zur Pößnecker Heimatzeitung „Die Woche“, die, wie es der originelle Titel andeutet, jede Woche einmal unsere Heimatmenschen erfreute.

Die auf der Grundlage eines unerforschlichen Ratschlusses des Politbüros erfolgte Schließung der bei unseren Heimatmenschen überaus beliebten Heimatzeitung bildete im Frühjahr 1967 die Basis für Wechsel Nr 2. Dieser führte mich zum Radio-DDR-Regionalsender Weimar, wo ich, der permanent planmäßigen Umstrukturierung folgend, Informations-, Nachrichten-, Wochenend-, Unterhaltungs-, Wissenschafts-, Sport- und Kulturjournalismus praktizierte. Ein weiterer unerforschlicher Ratschluss des og. Gremiums, die Einführung des 24-Stunden-Rund-um-die-Uhr-Programmes bei Radio DDR, rief mich im Frühsommer 1969 in die Berliner Zentrale.

Der ebenfalls unerforschliche Ratschluss des Zufalls führte mich am 15. November 1969 in die Kulturredaktion der Wochenzeitung „Volksarmee“, wo ich bis heute, insbesondere auf dem Gebiet der Literatur, meine (finanziell nicht besonders scharf gebackenen) Brötchen verdiene. Zukunftswunsch: Es (das Leben) möge noch positiver werden.

Zehn Jahre später stieß der Zukunftswunsch an eine offene Grenze, hinter der erst die „Volksarmee“ und dann auch ihre Nachfolgerin „trend“ verschwand. Zum „Tag des blauen Briefes“ 1990 machte er sich selbst Mut:

Bleibe aktiv

Du bist gefallen worden, steh’ wieder auf!

Denke über deinen Anteil nach.

Unterscheide Wichtiges von Unwesentlichem.

Bestimme die Reihenfolge.

Verschwende weder Gedanken noch Zeit.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold:

Bedenke, mit wem du worüber sprichst.

Prüfe kritisch jede Position. Auch die Hoffnung.

Überlege reiflich, aber fasse einen Entschluss.

Führe ihn aus.

Arbeite konzentriert.

Kämpfe um den Erfolg.

Bewahre dein Selbstbewusstsein. 

Vertrau auf deine Kraft – du hast beides.

Noch einmal:

Bist du gefallen, dann steh’ wieder auf.

Sei freundlich.

Vergiss die Anderen nicht.

Hilfst du ihnen, so hilfst du dir selbst.

Du bist deine Zukunft.

Er folgte diesen Lebensmaximen und schlug sich als freier Journalist jahrelang durch. Und weil er nie aufgab, schuf er sein wohl bleibendstes Werk, das Erinnerungsbuch „Funksprüche an Sonja“, mit dem er die einstige sowjetische Kundschafterin und spätere DDR-Schriftstellerin Ruth Werner in unser Gedächtnis zurückholte, aus dem sie manche verbannen wollten. Mit Fleiß und Ausdauer sammelte er Belege jener, die mit ihr zu tun und sie schätzen gelernt hatten, darunter Markus Wolf, Werner Liersch, Eberhard Panitz und Hermann Kant.

Und er schrieb zahlreiche kluge Texte für dieses Blog, die noch immer häufig aufgerufen werden. Zuletzt aber lähmte ihn eine tückische Krankheit. Erst jetzt erfuhren wir, dass er bereits am 1. Juli in Berlin gestorben ist; am 4. Oktober wird er in seiner Heimatstadt Neustadt/Orla seine letzte Ruhestätte finden.

 

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