Warum soll es Bundestagsabgeordneten besser gehen als jedem anderen in diesem Land? Zu Wochenanfang wurde das politische Berlin davon aufgeschreckt, dass im Büro eines Parlamentariers zwei kleine Mikrofone mit Kabel gefunden wurden. Wie es heißt, eignen sie sich nicht zum Abhören, doch wer will das angesichts des inzwischen erreichten Standes der Technik auf diesem Gebiet schon so genau wissen? Und wenn tatsächlich nicht im vorgefundenen Zustand, ging es nicht vorher oder nachher, indem der Rest der Ausrüstung installiert und aktiviert wurde? Und wer könnte dahinterstecken – der Verfassungsschutz oder vielleicht Journalisten, die ihren Kollegen einen Schritt voraus sein wollten (wobei letzteres, wie wir inzwischen wissen, die Beteiligung von Ersterem nicht ausschließt). So viele Fragen, und keine Antworten.
Den gewöhnlichen Bürger mag das kalt lassen, sieht er sich doch im Zeitalter der Terrorbekämpfung ständig irgendwelchen Lausch- und Spähangriffen ausgesetzt – und sei es beim Fahren in der Straßenbahn. Kameras und Mikrofone, Trojaner im Internet und Strichcodes auf allerlei Papieren gehören längst zum Inventar der Rund-um-Überwachung, mit dem wir alle nahezu ständig beobachtet werden. Gerade jene Parlamentarier von CDU und SPD, die sich jetzt am erschrockensten geben, haben mit einer ganzen Serie so genannter Anti-Terror-Pakete den Hauptbeitrag dazu geleistet. Zauberlehrlinge, die nun mit nassen Hosen dastehen.
Einer war übrigens am wenigsten aufgeregt – der Betroffene. Wolfgang Neskovic, Abgeordneter der Linkspartei und zuvor bei vielen seiner BGH-Kollegen nicht allzu gern gesehener Bundesrichter, da er nicht nach ideologischem Kalkül, sondern tatsächlich mit dem Bemühen um Gerechtigkeit für jedermann urteilte, hielt den Vorgang für wohl so normal, dass er auf einen polemischen Kommentar verzichtete und großes Brimborium in allerlei Ausschüssen als überflüssig erachtete. Recht so: Was alle Bürger akzeptieren müssen, sollte den Bundestagsabgeordneten nicht vorenthalten werden.
Siehe auch:
Uwe Kalbe, René Heilig, Claus Dümde: »Abhörähnliche Gegenstände« im Bundestagsbüro von Geheimdienstkontrolleur Neskovic, in Neues Deutschland vom 24.01.2007