Wieder einmal haben die Wähler ihre Weisheit und ihre Unabhängigkeit von den Sprücheklopfern der etablierten Parteien und Medien bewiesen. Sie haben in Thüringen und im Saarland dem mit Hilfe williger Demoskopen herbeigeredeten Schwarz-Gelb eine Abfuhr erteilt und durch die gleichzeitige Stärkung der Linken die SPD vor jene Entscheidungsfrage gestellt, vor der sie sich solange drücken wollte. Nur in Sachsen, wo wegen der Schwäche der Sozialdemokraten keine reale Chance auf eine linke Alternative bestand, konnten sich CDU und FDP gemeinsam durchsetzen.
Der Zuwachs der FDP geht weitgehend auf die Verluste der CDU zurück (in Sachsen vermutlich auf jene der NPD); hier versammelten sich die durch die Finanzkrise verunsicherten Besserverdienenden, die eher von den Freidemokraten als von der Merkel-CDU die Sicherung ihrer Einlagen erwarten. Solch ein Nullsummenspiel könnte die hochfliegenden schwarz-gelben Träume durchaus platzen lassen.
Ob allerdings das Wählervotum die offensichtlich erwünschten Folgen tatsächlich haben wird, ist äußerst unsicher, denn der SPD geht es nicht zuerst um einen Politikwechsel, sondern um Regierungsbeteiligung um jeden Preis. »Ganz wichtig ist, dass in Thüringen und im Saarland die SPD an der Regierung beteiligt wird«, sagte dazu der Müntefering-Vertraute Oppermann. Und nach allem, was aus dem Willy-Brandt-Haus bislang zu hören war und was – siehe den Umgang mit Andrea Ypsilanti in Hessen – praktisch diesbezüglich von dort aus organisiert worden ist, spricht ein solcher Satz eben gerade nicht für das, was Thüringens SPD-Kandidat Christoph Matschie in Erfurt lauthals verkündete: »Das System Althaus ist abgewählt.« Sondern dafür, dass er am Ende Dieter Althaus wieder zum Ministrerpräsidenten wählt und dafür mit einem Posten in dessen Regierung abgefunden wird. Und auch Heiko Maas könnte sich gegen seinen Willen als Juniorpartner in einem neuen Saar-Kabinett Müller wiederfinden, weil es den Müntefering und Steinmeier taktisch besser in den Kram passt – und anscheinend auch den Saar-Grünen, die wohl gern die ersten wären, die so etwas Exotisches wie Jamaika in einem Landtag mit auf die Beine stellen.
Manche wunderten sich heute über die Gelassenheit und Fröhlichkeit, mit der Sozialdemokraten Ergebnisse zwischen zehn und nicht einmal 25 Prozent kommentierten. Das ist eigentlich nur damit zu erklären, dass die SPD solche Zahlen angesichts des genannten Nullsummenspiels zwischen Union und FDP als ausreichend ansieht, die schwarz-rote Koalition in Berlin fortzusetzen, was von Anfang an ihr Ziel war. Angesichts solcher Sachlage bleibt nur der Kommentar, dass es selbst die größte Weisheit des Wählers schwer hat, sich gegen die Beschränktheit politischer Starrköpfe durchzusetzen.
Der Oberblogsänger trifft den Nagel mal wieder auf den Kopf. Es steht in der Tat zu befürchten, daß die „Agenda-Sozen“ in Berlin – anderslautenden Bekundungen zum Trotz – den SPD-Landesverbänden so kurz vor der Bundestagswahl nicht freie Hand bei der Auswahl ihrer Koalitionspartner geben werden und stattdessen auf Schwarz-Rot drängen, denn genau diese Konstellation streben diese „Seelenverkäufer“ für den Bund an.
SPD-Matschie in Thüringen hat schon seine Präferenz für den „politischen Katzentisch“ bei einem CDU-Ministerpräsidenten Althaus erkennen lassen, und SPD-Maas im Saarland ist zu wenig durchsetzungsstark, um sich gegenüber der Bundes-SPD behaupten zu können. Man kann sich den blassen Heiko Maas aber auch nicht als Ministerpräsidenten mit Lafontaine an seiner Seite vorstellen. Das einstige Ziehkind von Lafontaine kann diesem schlicht nicht das Wasser reichen.
Und da wären ja auch noch die Grünen, die vor lauter Realpolitik nicht zum ersten Mal ihre Ideale opfern würden: „Jamaika“ aus Schwarz-Gelb-Grün mit bundespolitischer Strahlkraft ist im Saarland im Bereich des Möglichen.
Was bleibt dem „weisen Wähler“ angesichts solch verbreiteter Ignoranz ud Starrköpfigkeit der Polit-Prominenz zu tun? Eigentlich nur, Die Linke weiter zu stärken und das Heft selbst in die Hand zu nehmen: Wir sind das Volk!