Schon lange vor der Neujahrsnacht auf 2007 ließ sich unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel ein neues schönes Kleid schneidern. Denn vom 1. Januar an bekleidete sich ein neues Amt, das der Ratspräsidentin der Europäischen Union. Da wollte man doch etwas hermachen und versprach, im Umweltschutz künftig eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Das war sehr kleidsam, ein feiner, weicher Stoff, der sich anschmiegsam um ihre Taille legte und schon vom Anblick her Wohlbefinden signalisierte. Der Klimaschutz solle in ihrer Präsidentschaft zu einem der ersten Anliegen werden; damit war zum Kleid ein Mäntelchen umgehängt, das züchtig die Schultern bedeckte, samtig glänzte und zugleich das Versprechen enthielt, alle Wetterunbilden zuverlässig von der Trägerin fern zu halten. Schließlich eine Krone aus Silber und Gold, mit Edelsteinen besetzt – und so blank, weil die Kanzlerin eben versprochen hatte, bei der Senkung der CO2-Belastung mit bestem Beispiel voranzugehen.
So stellte sich Angela Merkel auf die europäische Tribüne und ließ sich feiern – und sie war wunderschön anzusehen. Alle defilierten an ihr vorüber, Mann und Frau, Kind und Kegel und auch einige Autos. Zuerst fuhr ein VW vor, einer dieser modernen Geländewagen. Sie winkte ihm freundlich zu. Er brummte an der Tribüne vorbei, eine schwarze Wolke stieg in den Himmel, und als die Kanzlerin wieder zu sehen war, fehlte ihr der schöne Mantel; er hatte sich irgendwie in der Wolke aufgelöst. Sie schaute erstaunt, aber noch hatte sie ja das Kleid an und auch, wie ein kurzer schiefer Blick nach oben bewies, die Krone auf dem Kopf. Doch da rollte schon ein 5-er BMW heran, einer von denen, die sie gern als Dienstwagen geordert werden. Er wurde von der Frau auf der Tribüne beklatscht, doch er zog eine graue Gassäule hinter sich her, in der Angela Merkel kurz verschwand. Danach war doch tatsächlich die Krone weg; sie schwebte auf dem Wölkchen in den Himmel. Aber nun nahte ein Porsche Cayenne Turbo, wahrlich ein elegantes Fahrzeug, dessen Auspuff lediglich weißen Rauch absonderte, der allerdings mir 354 Gramm Kohlendioxid für die 1000-Meter-Strecke vor der Tribüne angereichert war. Jetzt jubelte Angela Merkel und sprang hoch – wie zuvor nur beim Argentinienspiel der deutschen Fußballer bei der Weltmeisterschaft.
Der Porsche ließ die Kanzlerin ein weiteres Mal verschwinden, und sie tauchte erst wieder auf, als ein kleines Mädchen auf einem Dreirad vorüberfuhr. Jetzt war die Luft ganz rein, und man konnte Angela Merkel gut sehen. Das Mädchen hielt an und zeigte auf sie. »Du bist ja ganz nackt«, rief es und fuhr kopfschüttelnd weiter. Aber von all denen, die um die europäische Tribüne herumstanden, lachte keiner über die nackte Kanzlerin. Sie alle husteten, und ihnen liefen die Tränen aus den Augen.