Wenn es dumm läuft, kann leicht passieren, dass ausgerechnet Angela Merkels Massagefreund George W. Bush ihr die nächste Bundestagswahl versaut. Denn sein Raketenabwehrsystem, weit vom vorgeblich bedrohlichen Iran entfernt, dafür aber – in Polen und Tschechien – direkt vor der russischen Haustür, ist geeignet, nicht nur die europäische Entspannungsphase der letzten 15 Jahre abrupt zu beenden, sondern auch die Widersprüche in der großen Koalition beträchtlich zu verschärfen.
Bisher lief es da für die Union ausgezeichnet. Die SPD hatte sich in innen-, wirtschafts- wie sozialpolitischen Fragen vollends CDU und CSU untergeordnet, setzte gemeinsam mit der Unternehmerpartei die Mehrwertsteuererhöhung, die Rente mit 67, den Paradigmenwechsel zu Ungunsten der Versicherten bei der Gesundheitsreform und demnächst auch die Steuerentlastung für die bereits im Geld schwimmenden Konzerne durch, während sie ihre eigenen Projekte – Mindestlohn, Erbschaftssteuer – gerade dabei ist geräuschlos zu entsorgen. Die Folgen sind entsprechend: In der Wählergunst verharrt die SPD auf einem Tiefstpunkt, 10 Prozent hinter Union.
Nun aber das Geschenk aus Washington. Die SPD besinnt sich der positiven Resonanz, die ihre Kritik an den amerikanischen Vorbereitungen auf den Irakkrieg bei den Wahlen 2002 fand und ging unverzüglich zum Angriff auf die US-Raketenpläne über. Sie ahnte, dass sie damit bei der Union einen Nerv traf, hatte diese doch bereits 2002 für den Krieg plädiert und Angela Merkel persönlich in Washington den Treueschwur geleistet. Sie wie man damals den Lügen über die irakischen Massenvernichtungswaffen bereitwillig glaubte, verteidigt man heute die verlogenen amerikanischen Bedrohungsszenarien; schon ist auch die Militärlobby unterwegs, die Raketen zugleich zu rechtfertigen und zu verharmlosen. Der SPD kann das eigentlich nur Recht sein. Je mehr sich die Union als Kriegspartei outet, desto strahlender steht die Sozialdemokratie als Friedenskämpfer da.
Wenn sie denn den Mut dazu hat, sich wenigstens in dieser Frage auch tatsächlich gegen die Union durchzusetzen. Als Koalitionspartner muss die SPD früher oder später Flagge zeigen, wie ernst sie es mit ihrem Friedensengagement meint. Mit Lavieren, der beliebtesten Methode sozialdemokratischer Politik, wird sie angesichts der Stimmung in der Bevölkerung wenig erreichen können. Und auf EU, NATO oder gar Bush darf sie schon gar nicht hoffen. Denn bei den westlichen Militärs – das zeigen auch Aufrüstungsbeschlüsse in Großbritannien – sind die Weichen auf eine neue Rüstungsrunde längst gestellt – schon weil die Rüstungsindustrie diese nach der für ihren Geschmack viel zu langen europäischen Entspannungsperiode dringend braucht …