Deutsche Politiker sind unzufrieden darüber, dass Libanon sich als ein souveräner Staat versteht, der es nicht zulassen kann, dass andere über das Regime an seinen Grenzen entscheiden. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) gab dafür eine aufschlussreiche Begründung: »Es darf nicht sein, dass die Hisbollah für den Kampf gegen Israel aufgerüstet wird und die Bundesmarine zum Zuschauen verurteilt ist.« Und der SPD-Jung-Außenpolitiker Niels Annen erklärte. »Ich kann mir … schwer vorstellen, dass es erst eine Kabinettssitzung in Beirut geben muss und sich die libanesische Regierung einigt, ob man ein Schiff, das möglicherweise Waffen enthält, dann anhalten darf oder nicht.«
Für beide ist also klar, dass sich ein Einsatz deutscher Soldaten an den Grenzen Libanons in erster Linie gegen die Hisbollah, die eine der libanesischen Parlaments- und Regierungsparteien ist, richten muss. Das ist insofern konsequent, als ja alle Einsatzbefürworter hierzulande immer wieder erklärt haben, eine Auseinandersetzung mit israelischen Truppen komme für die Bundeswehr nicht in Frage. Doch das UNO-Mandat für den Einsatz in Libanon sieht ausdrücklich die Sicherung der libanesischen Grenzen vor -und zwar gegenüber jedermann. Wenn man sich daran erinnert, dass es neben der Entführung zweier israelischer Soldaten und einigen Katjuscha-Schlägen der Hisbollah gegen Israel es vor allem die unverhältnismäßige Reaktion Israels gegen das Nachbarland, die dort gewaltige Schäden anrichtete und 1200 Menschen, fast alle Zivilisten, das Leben kostete, war, die den UNO-Beschluss erforderlich machte, dann gehört die Verhinderung eines erneuten solchen Angriffs ganz ohne Zweifel zu den Aufgaben der Friedenstruppe.
Deutschland ist also mit den Absichten, die es – nach eigener Bekundung – bei einem Libanon-Einsatz verfolgt, keineswegs neutral und disqualifiziert sich insofern eigentlich als Streitschlichter. Während die eine Seite – Israel – mit der Aufrechterhaltung der Luft- und Seeblockade den Krieg faktisch fortsetzte, sollte gegen die andere Seite – die Hisbollah – mit einem »robusten Mandat« vorgegangen werden. Es durfte keinen überraschen, dass sich Libanon auf diese Schieflage nicht einlassen konnte. Das Land musste selbst handeln, vor Beginn des UNO-Einsatzes seine Souveränität an den Außengrenzen wiederherzustellen; von deutscher Seite erhielt es dazu trotz hektischer Reisetätigkeit von dessen Außenminister keine Unterstützung.
Und Libanon handelte. Es setzte durch, dass über einen deutschen Einsatz überhaupt erst nachgedacht werden durfte, nachdem seine Grenzen wieder frei waren. Und es verlangt weiterhin, seine Souveränitätsansprüche zu respektieren, indem die deutsche Marine am äußersten Rand seiner Hoheitsgewässer agiert und damit auch die Aufgabe hat, aggressive Akte von dieser Seite zu unterbinden. Damit hat das Land deutschen Politikern und Diplomaten eine Lektion in punkto Neutralität erteilt, die hier jedoch offenbar nicht verstanden wird. Noch immer hält sich Berlin hinsichtlich Libanons für den verlängerten Arm Tel Avivs und nicht für einen ehrlichen Makler. Es muss sich nicht wundern, dass das Misstrauen gegenüber den deutschen Absichten im Nahen Osten weiterhin außerordentlich groß ist.
Hilfreich dabei, zu seinem Abbau beizutragen, könnte gewiss die Beendigung der deutschen Waffenlieferungen an Israel sein. Gerade erst ist ja eine erneute U-Boot-Lieferung vereinbart worden – was im krassen Gegensatz zum Neutralitätsgebot steht, das Teilnehmer an friedensstiftenden Einsätzen eigentlich beachten sollten. Schon im »Haager Abkommen, betreffend die Rechte und Pflichten der Neutralen im Falle eines Seekriegs« heißt es unmissverständlich im Artikel 6: »Die von einer neutralen Macht an eine kriegführende Macht aus irgendwelchem Grunde unmittelbar oder mittelbar bewirkte Abgabe von Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegsmaterial ist untersagt.« Solange sich die Bundesrepublik jedoch an diese Selbstverständlichkeit nicht hält, steht ihr Anspruch, Friedensstifter im Nahen Osten zu sein auf tönernden Füßen.
Siehe auch:
Jürgen Reents: Der Vorbehalt (Neues Deutschland v. 15.09.06)
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Jochen Hippler: Zweierlei Völkerrecht (Freitag v. 15.09.06)
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