Da sitzt ein gewichtiger Teil von Menschen bis hinauf in höchste Kreise hierzulande auf dem Sofa und nimmt übel. Denn nach dem verheerenden Brand in Ludwigshafen, bei dem sechs Türken starben und 60 zum Teil schwer verletzt wurden, sahen sich doch einige von ihnen veranlasst, an Solingen, Mölln oder Rostock zu denken und zu vermuten, der Brand des von Türken bewohnten Mietshauses sei nicht nur nur ein schrecklicher Unglücksfall gewesen, sondern gewissermaßen die praktische Verlängerung gerade stattgehabter Wahlkämpfe. Und die Medien in der Türkei selbst machten kein Hehl aus ihrem Misstrauen gegenüber deutscher Polizei und deutscher Justiz, was sich in einer ziemlich tendenziösen Berichterstattung niederschlug. Sogar einige Politiker hauten in diese Kerbe, sofern sie sich davon parteipolitischen Profit versprachen.
Das alles mag voreilig sein, vielleicht auch ungerecht (obwohl wir es genau erst wissen, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind), doch neu und überraschend ist es nicht. Im Gegenteil, denn fast Gleiches haben wir in einem ganz anderen Fall und seitenverkehrt erst kürzlich erfahren. Oder hatten nicht viele von uns nach der Festnahme des 17-jährigen Marko in der Türkei sofort ihr grenzenloses Misstrauen gegenüber der dortigen Polizei und Justiz zu Protokoll gegeben – lange bevor beweiskräftige Fakten bekannt waren? Hatten nicht die Medien eine wahre Kampagne gestartet, mit der der NATO-Partner und EU-Anwärter zu einer Art von mittelalterlichem Schreckensstaat herabgewürdigt wurde? Und kochten nicht auch einige Politiker ihr Süppchen an der Geschichte, indem sie nun endgültig für bewiesen sahen, dass dieses Land nie zu Europa gehören dürfe?
Es ist zwar nicht sehr originell und auch kaum sinnvoll, wenn mancher Türke hier oder zu Hause nur das wiederholt, was ihm Deutsche vormachten; verdenken aber kann man es ihnen nicht. Schlechtes Benehmen verdirbt die allgemeinen Sitten, und wer dabei mit negativem Beispiel voranging, hat wenig Grund, empört auf die Nachahmer zu zeigen. Übrigens: Das Verfahren gegen den Schüler Marco ist noch nicht abgeschlossen, sondern wird im Frühjahr fortgeführt. Spätestens dann werden wir sehen, inwieweit Medien, Politiker und andere Interessierte hierzulande selbst jene Ratschläge befolgen, die sie derzeit so dringend der türkischen Seite ans Herz legen.