(pri) Es war vor allem ein Denkzettel für jene Fraktion der Linkspartei, die im Regieren an sich den Sinn politischen Engagements sieht und darüber auch einmal einstige inhaltliche Aussagen vergisst. Diese Fraktion hat die Berliner Linke zehn Jahre lang dominiert und sie in dieser Zeit in den Keller gefahren – erst ziemlich schnell, zuletzt etwas langsamer, doch unter dem Strich signalisierten die Wähler heute in Berlin, dass sie von einer Partei, die sich links von der SPD positioniert sieht, mehr erwarten als weitgehende Botmäßigkeit gegenüber der SPD.
Da hilft es hinterher wenig, über »mangelnde Kommunikation der eigenen Erfolge« zu lamentieren oder gar die Verantwortung für das eigene Versagen bei anderen zu suchen. Dass sich einstige Linke-Wähler diesmal anders entschieden, lag nicht an Kommunismus-Debatten, Mauer-Interpretationen und Castro-Glückwünschen; das zeigt allein schon das Resultat von vor zwei Wochen in Mecklenburg-Vorpommern, das zwar auch nicht berauschend war, aber doch deutlich besser als das Berliner. Es lag vor allem an der weitgehenden Unkenntlichkeit der Linkspartei in Wowereits Senat, was auch – siehe die Verluste der SPD – letztlich dem Bürgermeister wenig genützt hat. Und es lag daran, dass Anhänger der Linken befürchten, die von ihnen favorisierte Partei könne – wie schon bei der SPD erlebt – auch nur zu einer opportunistischen Umfallergruppe werden, die vermeintliche »Sachzwänge« höher stellt als ihre Prinzipien.
Auch dass die Berliner Linkspartei sich am bereitwilligsten als Stichwortgeber für vom politischen Gegner und der Mehrheit der Medien vom Zaun gebrochene Debatten, die mit den wirklichen Problemen der Menschen wenig zu tun haben, zur Verfügung stellte, hat viele ihrer Wähler frustriert. Sie führte zeitweise einen aggressiveren »Wahlkampf« gegen die eigene Bundesführung als gegen ihre Konkurrenten in der Stadt und nahm in Kauf, dass die Linkspartei im Ganzen als ziemlich zerstritten erschien – auch wenn das in den Hauptfragen nicht zutraf. Doch einmal mehr erwies sich, dass eine Partei nur dann Wählern imponieren kann, wenn sie sich selbst imponiert. Sowohl Erwin Sellering in Mecklenburg-Vorpommern als auch Klaus Wowereit in Berlin haben das vermocht, ihre linken Mitbewerber in beiden Ländern jedoch nicht. Daher hat die SPD trotz der anhaltenden Belastung durch die gescheiterte Schröder/Müntefering/Steinmeier-Linie hier die Wahlen gewinnen können – und musste sie eine anpasserisch-opportunistische Linke verlieren, da die Wähler vor allem in den Piraten einen attraktiven Gegenentwurf sahen.