Die gegenwärtige Auseinandersetzung bei der Sozialdemokratie über das Verhältnis zur Linken ist nicht mehr als ein Nebenkriegsschauplatz – und entsprechend wird sie auch geführt. Obwohl bis auf einen alle Vorstandsmitglieder der Selbstverständlichkeit, dass jeder Landesvorstand selbständig über seine Politik entscheidet, zugestimmt haben, setzen einige entgegen ihrem Votum die Debatte munter fort, ignorieren dabei aber die eigentliche Frage, wie die SPD aus ihrem Dilemma herauskommen will.
Denn tatsächlich ist der Kurs auf Zusammenarbeit mit der Linkspartei ein defensiver Kurs, akzeptiert er doch, dass diese Partei links von der Sozialdemokratie ihre Daseinsberechtigung hat, weil sie Positionen vertritt, die der SPD zu weit gehen. Offensiv wäre hingegen, durch eigene inhaltliche Festlegungen der Linken Konkurrenz zu machen, sich selbst also glaubwürdig als eigentliche Linkspartei zu präsentieren. Andrea Ypsilanti hat das mit ihrem Wahlkampf versucht und damit nicht nur der Koch-CDU eine Niederlage bereitet, sondern auch die Linke fast aus dem Landtag ferngehalten.
Wichtige Vertreter der SPD-Führungsspitze sind jedoch nicht gesonnen, die hessischen Erfahrungen zu verallgemeinern. Lieber versammeln sie sich hinter dem hessischen Wahlverlierer in der Person des dortigen SPD-Chefs Garrelt Duin, der als Einziger gegen selbständige Entscheidungen der Landesverbände in Sachen Linkspartei stimmte und nach einer Generallinie der Partei in dieser Frage rief. Die niedersächsische SPD hat gerade weitere fast 295 000 Stimmen gegenüber dem schon schlechten Wahlergebnis von 2003 verloren und nur 30,3 Prozent erreicht, während die Linken in Niedersachsen das beste Resultat der drei Winterwahlen erzielten. Sich ausgerechnet eine solche »Leistung« zum Vorbild zu nehmen und nicht Hessen mit seinen fast 210 000 Stimmen Zugewinn und 36,7 Prozent, verrät viel über die Realitätsverweigerung der rechtslastigen SPD. Die Steinbrück, Steinmeier, Struck, der Seeheimer Kreis und andere Agenda-Politiker haben zwar keinerlei Konzept, wie ihre Partei wieder an Zustimmung bei den Wählern gewinnen kann, aber sie wollen auch nicht zulassen, dass sich andere darüber Gedanken machen. Sie lehnen nicht nur die Öffnung zur Linkspartei ab, sondern auch eine Strategiedebatte über Korrekturen ihrer vom Wahlvolk immer stärker abgelehnten Politik. Offensichtlich sind sie ideologisch inzwischen so festgelegt, dass ihnen die Mehrheitsbeschaffung für die CDU wichtiger ist als selbstbewusste eigene und zugleich mehrheitsfähige Positionen. Nicht zufällig hat gerade erst Thüringens SPD-Vorsitzender Christoph Matschie einen solchen Kurs in seiner Partei durchgesetzt. Da er nicht Juniorpartner für die Linke sein will, dient er sich der CDU in dieser Funktion an.
Ausdruck dieser Zerrissenheit ist auch das Lavieren Kurt Becks. Die SPD steht wieder einmal an einem Scheideweg. Entweder sie setzt den Rechtskurs mit Sozialabbau, Einschränkung demokratischer Rechte und militärischen Abenteuern im Ausland fort oder sie besinnt sich auf ihre Traditionen und die Erwartungen der Mehrheit der Bürger und formuliert eine tatsächlich linke Politik. Mit Letzterer fände sie auch eine wirksame Strategie gegenüber der Linkspartei.
Gut gesagt.