Auf den ersten Blick haben die gegenwärtige Steuersenkungs-Debatte und der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nichts miteinander zu tun. Und das zunächst ganz direkt, denn von jenen Steuersenkungen, die derzeit vorgeschlagen werden, können Arme nichts profitieren, da sie in der Regel keine direkten Steuern zahlen und damit weder von einer veränderten Steuerprogression noch von einer Pendlerpauschale irgendetwas haben. Sie hätten allein etwas von der Senkung der Mehrwertsteuer, doch die gehört natürlich nicht zu den aktuellen Anregungen.
Damit aber sind wir bei einem Punkt, wo die Steuerdebatte und der hohe Anteil von Armen – immerhin jeder Vierte, wenn man die jetzt schon gezahlten Unterstützungen nicht berücksichtigt – durchaus eng zusammenhängen. Denn so wie derzeit über Steuersenkungen diskutiert wird, führen sie nur in weitere Armut, da die Zeche dafür einmal mehr das untere Drittel der Gesellschaft zahlen müsste. Es ist gewiss notwendig, kleine und mittlere Einkommen von Steuern zu entlasten, aber wie die Ausfälle auszugleichen wären, verschweigen die meisten Politiker. Die CSU mit Erwin Huber an der Spitze erinnert sich sogar nur an das schon einmal gescheiterte Konzept ihres einstigen Finanzministers unter Helmut Kohl, Theo Waigel, der den Unternehmen beträchtliche Steuererleichterungen zuschanzte und immer behauptete, sie würden sich am Ende selbst finanzieren. Am Ende stand Waigel als »Herr der Löcher« das; die Abwahl der CDU/CSU/FDP-Regierung 1998 hatte auch darin einen Grund. Es zeugt von der Phantasielosigkeit der heutigen CSU-Führungsgeneration, dass ihr nicht Neues und Besseres zum Thema einfällt.
Seither hat es zahlreiche Steuererleichterungen gegeben; fast immer allein zu Gunsten der Unternehmen und damit der schon Reichen, die noch reicher wurden. Die dem Staat dadurch fehlenden Mittel brachte er durch Kürzungen auf vielerlei Gebieten auf, vor allem aber im Sozialhaushalt. Folge war eine gigantische Umverteilung von unten nach oben, deren Zahlen aus dem Armut- und Reichtumsbericht ablesbar sind. Und selbst wenn jetzt Steuersenkungen stärker unteren Einkommen zugute kommen sollten, werden sie erneut durch Kürzungen bei den Armen finanziert werden. Denn das hat die Politik schon mit großer Mehrheit beschlossen: Eine angemessene Erbschaftssteuer und Vermögenssteuern wird es auch in Zukunft nicht geben. Statt dessen hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schon die Spartöpfe ausgemacht: Krippenplätze, Bafög-Zahlungen, Entwicklungshilfe. Wie gewohnt stellt sie die ihr passenden Alternativen her: Gibt der Staat Geld »für bessere Schulen aus oder für die Rentner, für die Ausbildung der Kinder oder für Subventionen?« Von Abgaben auf Supergewinne, auf Millionenvermögen und große Erbschaften ist nicht die Rede, und selbst bei den genannten Subventionen sind all jene, durch die die Unternehmen Steuern sparen können, kaum gemeint.
Steuersenkungen bedeuten Einnahmeverluste. Diese Einnahmeverluste werden durch Ausgabenkürzung wettgemacht, Ausgabenkürzungen, die die Armen treffen. Insofern ist eine Steuerpolitik, wie sie von Kohl über Schröder bis Merkel betrieben wurde, ursächlich für die Zunahme von Armut wie Reichtum.
Die aktuelle, von der wahlkämpfenden CSU angezettelte Debatte um Steuererleichterungen für die Mittelschicht zeigt einmal mehr, daß es immer noch besser ist, auf den „Populismus“ der Linken zu setzen als auf den „Schwachsinn“ der „Volksparteien“. Denn: ein armen Staat nutzt letztlich nur den Reichen und nicht einmal der – schrumpfenden – Mittelschicht.