Gern wird in diffamierendem Sinne von Populismus gesprochen, wenn ein Politiker es tatsächlich einmal wagt, seine Aufgabe als Volksvertreter wörtlich zu nehmen und der Mehrheit seiner Wähler in einer strittigen Sache beizuspringen. Ob gewollt oder ungewollt, aber damit verrät die politische Klasse auch, dass sie nicht das »Volk« in seiner Gänze vertritt, sondern nur bestimmte Interessengruppen, denen sie zumeist persönlich nahe steht und die – vor allem – über geldwerte Macht im Staate verfügen. In aller Regel sind das große Unternehmen, Banken und die umfangreiche Zunft ihrer Bediensteten in verschiedenster Form, zahlreiche Medienvertreter eingeschlossen.
Immer mehr Politiker betrachten Politik schon lange als Gewerbe, von dem sich gut leben lässt; gerade jüngst haben einige von ihnen umstandslos den Arbeitgeber gewechselt, weil ein anderer wohl mehr versprach – vielleicht materiell, vor allem aber wohl an Macht. Oswald Metzger, einst als Grüner angetreten, um auch die Konservativen in der Union in die Schranken zu weisen, verspricht sich bei ihnen nun endlich jene Karriere, die ihm bisher versagt blieb. Margareta Wolf, unter Rot-Grün Staatssekretärin im Umweltministerium, das den Kampf gegen die Atomkraft als eine seiner Säulen betrachtete, wird künftig gerade dieser Atomindustrie zu Diensten sein. Und Norbert Hansen ließ sich vermutlich schon lange kaufen, wie sein Handeln als Bahn«gewerkschafter« in den letzten Jahren zeigte, das sich eher an den Interessen des Mehdorn-Vorstandes als an denen seiner ehemaligen Kollegen orientierte, was diese schließlich in Scharen zur kämpferischen Gewerkschaft der Lokführer überlaufen ließ.
Die drei Fälle, die nicht die letzten sein werden, sind nur der Gipfel einer Pyramide, die längst aus dem gemeinen Volk weit hinausragt und mit ihm selbst nicht mehr viel gemein hat. Da fällt es dann auch leicht, denen da unten Verzicht nicht nur zu predigen, sondern ihn auch gesetzlich festzuschreiben, während oben viele nichts dabei finden, aus dem Vollen zu schöpfen. Manchmal geht das – wie bei der gerade gescheiterten Diätenerhöhung – schief, und da wird Populismus im besten Sinne des Wortes plötzlich wieder zur Richtschnur des Handelns. Leider nur unter Zwang und leider auch nur für kurze Zeit. Denn den nächsten Versuch haben einige schon in schönster Offenheit angekündigt. Dann wird »Populismus« wieder zum Schimpfwort.
Hier scheint bei einigen das „falsche Bewußtsein“ am Werke zu sein.
So ziemlich alles, was dem Volk nutzen könnte, wird in der veröffentlichten Meinung als Populismus abgekanzelt und beinahe reflexartig als völlig unrealistisch und vor allem unbezahlbar bezeichnet. „Seriös“ und „verantwortungsvoll“ erscheint es den mächtig-ohnmächtigen Herrschaften an der Regierung hingegen, wenn es darum geht, sich in noch so abwegigen Umverteilungsmaßnahmen von unten nach oben zu überbieten und den Menschen „Null-Diät“ zu verordnen. Die sich selbst genehmigte Diätenerhöhung ist für die Volksvertreter zwar nun vom Tisch. Aber der in ja auch reichlich gedeckt. Wieviel „Brotkrumen“ bleiben aber fürs Volk?
Von Populismus zugunsten der Reichen und Einflußreichen ist hier natürlich keine Spur. Nur ein bißchen Volksverachtung lukt da durch die Ritzen des morschen Politikgebälks.