(pri) Gegenwärtig wird ausführlich über russische »Trolle« berichtet, die gewissermaßen als Speerspitze von Putins Propagandafeldzug gegen den freien und wahrheitsliebenden Westen unser aller Gehirne vernebeln. Sie sollen in Moskau, St. Petersburg oder sonst wo sitzen und das Internet mit Posts überfluten, die mal absurd, mal lächerlich, gerne auch beides sind. Aber diese Darstellung scheint eine gefährliche Verharmlosung, gibt es doch mittlerweile Anzeichen, dass diese Trolle schon direkt unter uns sind, zum Beispiel in Warschau und Berlin sitzen und kräftig Reklame für einen Club russischer Motorrad-Rocker machen, der den verdächtigen Namen »Nachtwölfe« trägt und – das schwerste Vergehen – doch tatsächlich Wladimir Putin verherrlichen soll.
Diese von hiesigen einschlägigen Trupps ansonsten kaum unterscheidbare »Biker-Gang« ist nämlich seit dem letzten Wochenende auf dem Weg von Moskau nach Berlin, Etwa 20 Motorradfahrer sollen es sein, die mit ihrer 6000 Kilometer langen Fahrt den Weg der Sowjetarmee vor 70 Jahren nachzuahmen gedenken; vor dem sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow soll sie enden. Zumindest zwei große NATO-Staaten, Polen und die Bundesrepublik, sehen dadurch ihre innere Sicherheit bedroht. Das polnische Außenministerium (!) schätzte die Lage als so ernst ein, dass es mit einer »diplomatischen Note« darauf reagierte. Fahrtroute und Übernachtungsstationen seien nicht bekannt, erklärte es in Anlehnung an frühere sowjetische Praxis, wo niemand das östliche Nachbarland privat ohne ständige geheimdienstliche Überwachung bereisen konnte. Übernommen hat man auch den Tenor der einstigen sowjetischen Begründungen, dass all dies nur dazu diene, »den Teilnehmern der Fahrt ausreichend Sicherheit zu bieten«. Wodurch freilich das Außenministerium von der eigenen Ministerpräsidentin nicht nur zum Troll, sondern gleich zum Trottel gemacht wurde, denn Ewa Kopacz hatte kurz zuvor noch Klartext geredet und das Vorhaben als »Provokation« rundweg abgelehnt.
So von Polen vorgewarnt und von der »Bildzeitung« zusätzlich auf die existenzielle Gefahr durch furchterregend auftretende Motorradfahrer hingewiesen, zögerte auch die Bundesregierung nicht lange und leistete ihren Beitrag zur Werbekampagne für die »Nachtwölfe«. Hatte sie ursprünglich noch Visa an die Rocker ausgegeben, sah sie nun – nach eindringlichen Vorhaltungen von »Bild« – in der kleinen Truppe »Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland«. Man müsse »diesen Risiken angemessen begegnen«. Was inzwischen auch hierzulande sehr früherer sowjetischer Praxis ähnelt: »Das schließt die Möglichkeit, Ausländer an der Einreise nach Deutschland zu hindern, ebenso ausdrücklich ein wie geeignete polizeiliche Maßnahmen in Deutschland.« Schon erteilte Visa seien annulliert worden. Und wenn dennoch einige Motorräder vor dem sowjetischen Ehrenmal auftauchen, will man dann vielleicht den Krieg am Ende doch noch gewinnen?
Auf letzteres scheinen die weiteren Erklärungen des Auswärtigen Amtes hinzudeuten. »Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass der Jahrestag in Würde begangen wird«, heißt es da mit erhobenen Zeigefinger, um sogleich die Weisung anzuschließen, wie diese Würde auszusehen hat: »Wir stellen uns mit Nachdruck gegen jegliche Instrumentalisierung des unermesslichen Leids der Opfer und des Widerstands gegen die Naziherrschaft.« Nicht die Opfer und ihre Nachfahren sollen entscheiden, wie sie des faschistischen deutschen Überfalls und seiner Millionen von Toten fordernden Zurückschlagung gedenken, sondern der Nachfolgestaat der Täter.
Spätestens hier verlässt die Posse das Feld der Satire und wird bitterer Ernst. Zumal der Hohn über die Gedenkfahrt nicht auf sich warten lässt: »Wir glauben nicht, dass das dem Ziel dient, einen Beitrag zur Stärkung der deutsch-russischen Beziehungen zu leisten.« Dies von einer Regierung, deren Beitrag zur »Stärkung der deutsch-russischen Beziehungen« seit Monaten darin besteht, Russland die Alleinschuld am Bürgerkrieg in der Ukraine zuzuweisen, das Land mit immer neuen Sanktionen zu überziehen und hierzulande eine russenfeindliche Kampagne immer neu zu befeuern.
Der grauenerregende Ruf: „Die Russen kommen!“ hallt nach 70 Jahren erneut durch die deutsche Medien(halb)welt. Nicht als Tankreiter auf zahllosen T-34 kommen sie nun erneut daher, nein – noch gefährlicher – als Biker in Rockerkluft auf westlichen Markenmaschinen.
Helle Aufregung auch bei den neuen Kostgängern des Westens östlich der Oder: diese „Nachtwölfe“ haben doch bereits den Verkehr geregelt während der „Heimholung der Krim“ ins Russische Reich des Herrn Putin. Der oberste Nachtwolf, Alexander Saldostanow, sei zu allem Unglück noch ein Freund Putins und bekäme dessen Anweisungen direkt bei gemeinsamen Ausfahrten mitgeteilt.
Ohne Zweifel, Rußland hat aus seiner strategischen Niederlage im Ersten Kalten Krieg gelernt. Ein erfahrener Gegner kann durchaus erfolgreich mit dessen eigenen Waffen (kulturell) geschlagen werden.
Bereits der ehemalige Gorbatschow-Berater Falin empfahl, das Geld nicht in Störsender gegen den Westen zu investieren, sondern ein attraktives Programm auf die eigenen Sender zu bringen. Putin, als ehemaliger Geheimdienstler mit „Westerfahrung“ hat diesen Rat in die Tat umgesetzt. Nicht nur mit „RT deutsch“ …