Auf ihrer Immobilienseite berichtet die »Berliner Zeitung« heute von einem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Kreuzberg über die Ablehnung einer Modernisierungsmaßnahme. Der Vermieter wollte die Ofenheizung einer Altbauwohnung durch eine Gaszentralheizung ersetzen und gleichzeitig die noch vorhandenen Einfachfenster gegen Isolierglasfenster austauschen. Durch die gesetzlich zugelassene Umlage der Moderniserungskosten und einen Heizkostenvorschuss würde die Miete von derzeit 250 € auf 500 € steigen, sich also verdoppeln. Dem Mieter, einen Hartz-IV-Empfänger, wurde die Miete bisher vom Arbeitsamt bezahlt. Jetzt aber lehnte das Amt die erhöhte Miete ab, da ledigklich ein Anspruch bis zu 360 € bestehe.
Der Mieter widersprach deshalb der Modernisierungsmaßnahme, doch das Gericht stellte sich auf die Seite des Vermieters. Die Modernisierung müsse geduldet werden, sofern sie nicht eine Härte für den Mieter bedeutet. Dass sie subjektiv eine solche Härte ist, räumte das Gericht sogar ein, doch berief es sich auf eine Ausnahmeregelung, die besagt, von Härte könne dann nicht gesprochen werden, wenn die Modernisierungsmaßnahme »die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt, wie er allgemein üblich ist«. Die Ausstattung der Wohnung mit einer Znetralheizung und mit Isolierglasfenstern sei ein für Westberliner Verhältnisse üblicher Zustand und stelle keine Härte für den Mieter dar.
Aus diesem Urteil lässt sich zweierlei ablesen. Erstens hält es gerichtsnotorisch fest, dass Hartz-IV-Empfänger keinen Anspruch auf eine Wohnung haben, wie sie allgemein üblich ist. Zu ihrem Unterschichtendasein gehört auch eine unterklassige Wohnung. Und zweitens ist damit die Wohnungswirtschaft aufgefordert, Wohnungen vorzuhalten oder vielleicht erst zu schaffen, die dem Unterschichten-Niveau gemäß sind. Anderswo nennt man sie »Slums«, aber diesen Ausdruck werden die Regierenden kaum als politisch korrekt akzeptieren, sondern als erstes nach einem schöneren, heimeligen Begriff suchen, in dem sie dann wohl auch schon fast doe Lösung des Problems sehen.
Nicht, dass es mir eine Herzensangelegenheit wäre, eine Lanze für die Justiz zu brechen, aber der Kommentar vom 21.10. verfehlt leider schlichtweg das Thema.
Auch ein Hartz IV- Empfänger hat Anspruch auf angemessenen Wohnraum neuzeitlichen Standards, aber eben nur im Rahmen der staatlich festgesetzten Höchstbeträge, die sich an den einschlägigen Mietspiegelwerten orientieren. Eine Einzelperson kann in Berlin mühelos für 360 € eine Wohnung mit Zentralheizung etc. finden – nur wahrscheinlich nicht in bester Wohnlage und mit allen sonstigen denkbaren Ausstattungsschikanen.
Kurzum: hier wird das Prekariat nun gerade nicht abgehängt ( auch nicht nach „Westberliner Verhältnissen“ – was auch immer dies im Jahre 2006 heißen soll) und die Regierenden sollten sich weiter darauf besinnen, wofür wir sie eigentlich gewählt oder auch nicht gewählt haben.
Antwort:
Man kann vielleicht für 360 € eine Wohnung in Berlin finden, aber die entspricht eben möglicherweise nicht, wie das Amtsgericht Kreuzberg einschätzte, dem „allgemein Üblichen“, ist für einen Hartz-IV-Empfänger aber nach Meinung der Arbeitsagentur dennoch ausreichend.