Natürlich ist es unangenehm, wenn ausgerechnet in einer Zeit, in der fast jede Kritik an der verbrecherischen Kriegführung Israels im Gazastreifen sofort als antisemitische Hetze gebrandmarkt wird, sich ausgerechnet ein deutscher Papst mit ausgewiesenen Antisemiten unter den Würdenträgern der katholischen Kirche solidarisiert. Da findet dann die Benedikt XVI. gewogene Mainstream-Presse schnell allerlei fadenscheinige Erklärungen und Entschuldigungen, um die dunklen Schatten, in die er sich selbst und ganz bewusst begeben hat, etwas aufzuhellen.
Zwar mag Benedikt selbst kein Antisemit sein; er ist aber allemal ein Erzkonservativer, der die sich nur widerstrebend wandelnde katholische Kirche wieder zu alten Traditionen zurückführen will – und dazu gehört, gewissermaßen als identitätsstiftendes Element, eben auch der Judenhass, weshalb er ihn nicht bannen kann, ohne zugleich sein gesamtes antireformerisches Vorhaben ad absurdum zu führen. Insofern handelt der Papst konsequent, und ihm ist nicht nur »die Eintracht mit einer erzkonservativen Splittergruppe wichtiger als das Verhältnis zum Judentum und zu den moderaten, der Moderne zugewandten Kräften in seiner eigenen Kirche«, sonder er handelt so aus eigener Überzeugung und eigenem Verständnis von der Rolle seiner Kirche – was im Kern schließlich seit langem bekannt war.
Und er ist auch nicht der einzige, der sich so verhielt. Die weitgehende Gleichgültigkeit seines Vorgängers im Geiste, der Papstes Pius XII. (1939 – 1958) gegenüber dem Schicksal der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus speist sich aus der gleichen antisemitischen Grundhaltung, die vielleicht auch er nicht als Person, jedoch ganz gewiss als höchster katholischer Amtsträger einnahm. Damals war es nicht die Einheit der Kirche, die er über das Verhältnis zu den Juden stellte, sondern seine Furcht vor dem Kommunismus, die größer war als seine Abscheu vor dem Nationalsozialismus. Das wird noch heute an den Rechtfertigungen dieses Papstes durch den Vatikan deutlich, so gegenwärtig in einer Ausstellung in Berlin, die den verräterischen Satz enthält: »Manchmal haben seine humanitären Handlungen Erfolg, ein anderes Mal scheitern sie an den Interessen und gegensätzlichen Zielen der Kriegsparteien. Aus diesen Gründen, und weil der Zweite Weltkrieg vielleicht keinem anderen Krieg des 20. Jahrhunderts gleicht, ist Papst Pacelli eine der entscheidenden Gestalten des 20. Jahrhunderts.«
Was da so feinsinnig mit den »Zielen und Interessen der Kriegsparteien« umschrieben wird, war nichts anderes als zum einen Hitlers Absicht, den »Bolschewismus« vom Erdboden zu tilgen – ein Ziel, für dessen Erfüllung Pius XII. ohne Zweifel betete – und zum anderen das entgegengesetzte Bestreben Stalins, es dazu nicht kommen zu lassen – was dem damaligen Papst nur als Teufelswerk erscheinen konnte. Dass bei solcher Motivationslage »humanitäre Handlungen« des Papstes nur wenig Erfolg haben würden, lag auf der Hand, hätte doch die unnachsichtige Anklage des Faschismus diesen schwächen und damit das Hauptziel des Vatikan konterkarieren können. So wie heute die unnachsichtige Ausgrenzung innerkirchlichen Antisemitismus das Hauptziel des aktuellen Papstes, die Stärkung der Einheit der Kirche in ihrer Rückwärtsgewandtheit, beeinträchtigen würde.
Benedikt XVI. steht also in vatikanischer Kontinuität und will das letztlich auch nicht verbergen. Dass er plant, Pius XII. trotz seines Versagens gegenüber dem Holocaust selig zu sprechen, ist dafür nur ein weiterer Beleg. Gewissermaßen der nächste zwangsläufige Schritt nach der Rehabilitierung eines Holocaust-Leugners.
„Die Päpste und die Macht“ – was soll man zu diesem Thema noch sagen? Etwa die Trivialität, daß Macht verführerisch ist und zum Mißbrauch einlädt? Oder die launige Bemerkung, daß Stellvertreter eben nur Stellvertreter sind?
Oder vielleicht, daß Papst Benedikt nach seinem verbalen Ausrutscher in seiner „Regenburger Rede“ die Muslime weltweit gegen sich aufgebracht hat und nun ähnliches mit den Juden geschehen ist? – Gott weiß, warum.