Wenn Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung in seinem ersten Amtsjahr immer wieder dabei vorpreschte, deutsche Soldaten in Kampfeinsätze ins Ausland zu schicken, dann wurde ihm das mitunter als Ungeschicklichkeit eines Provinzpolitikers ausgelegt, als Unerfahrenheit gegenüber den Medien, die ihn zu Äußerungen verleiteten, die mit der politischen Führung nicht abgestimmt seien. So recht glaubhaft war solch augenzwinkernde Beschwichtigung nie; jetzt erfahren wir definitiv, dass Jung damit nur testete, was in den Hinterzimmern der Politik längst gedacht wurde.
Bundesinnenminister Schäuble hat jetzt im Verein mit dem nicht weniger rechtskonservativen Unionsfraktionschef Kauder klargestellt, dass ihnen der Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr schon lange nicht mehr passt. »Zumindest bei Einsätzen in multinationalen Verbänden können wir die Parlamentsbeteiligung nicht aufrechterhalten«, formulierte Schäuble das erste Etappenziel, und Kauder nannte es »richtig, darüber nachzudenken, den Parlamentsvorbehalt zu überprüfen«. Sein Stellvertreter Andreas Schockenhoff ging so gar so weit, dem Bundestag die Fähigkeit abzusprechen, die Hintergründe eines möglichen Auslandseinsatzes zu beurteilen.
Zwar waren die Möglichkeiten der Parlamentarier, über Auslandseinsätze von Soldaten verfassungsgerecht nach ihrem Gewissen zu entscheiden, schon bisher sehr eingeschränkt, da die Regierungsparteien schnell auf den Fraktionszwang hingewiesen wurden und Gerhard Schröder zur Durchsetzung des bis heute umstrittenen Afghanistan-Kampfeinsatzes sogar die Vertrauenfrage stellte, doch verbirgt sich hinter dem Vorstoß aus rechten Unionskreisen eine zwar schleichende, sich in kleinen Schritten vollziehende, aber beharrlich verfolgte Abkehr von demokratischen Grundsätzen. Zunehmend werden für diese Kräfte demokratische Regeln zum Störfaktor für eine Politik, die – wie die Wirtschaft – ungebremst Ziele durchsetzen will, die den eigenen Interessen dienen.
Gerade Schäuble hat sich schon der Vergangenheit als ein Vordenker des autoritären Staates erwiesen, der dem Parlament allenfalls noch eine Nebenrolle zugestehen will. Das zeigt sein Insistieren auf immer neue Sicherheitsgesetze ebenso wie die faktische Tolerierung von Folter, wenn es darum geht, vorgebliche Terroranschläge zu verhindern. Dass er nun auch noch bedenkenlos über das Leben und die Unversehrtheit junger Leute – beides wird schließlich in internationalen Kampfeinsätzen gefährdet – in kleinen politischen Zirkeln entscheiden will, passt in diese Strategie.